Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Getrieben: Thriller (German Edition)

Getrieben: Thriller (German Edition)

Titel: Getrieben: Thriller (German Edition)
Autoren: Christopher REICH
Vom Netzwerk:
Türrahmen und betrat die Krankenstation. Sie war in fünf Räume unterteilt. Es gab einen Warteraum, zwei Behandlungszimmer, ein Büro und einen Operationsraum. Die Ausstattung war selbst für afghanische Verhältnisse schlecht. Böden aus gestampftem Lehm. Niedrige Decken. Kein Strom. Kein fließendes Wasser.
    Bei seiner Ankunft hatte Jonathan in der Krankenstation nur einen abgewetzten Holztisch vorgefunden. Daran war ein Schild mit den Worten befestigt gewesen: »Médecins Sans Frontières. Où les autres ne vont pas.« Grob übersetzt bedeutete das: »Ärzte ohne Grenzen. Wo sonst niemand hilft.« Darunter stand noch in Französisch »Der Doc hat immer recht« neben der Jahreszahl »1988«. Vor mehr als zwanzig Jahren hatten sich also schon einmal Ärzte in dieses abgelegene Bergdorf verirrt. Für Jonathan war das die Bestätigung, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
    Er ging ins Büro und stellte den Seesack ab. In ihm befand sich alles, was Jonathan für die Behandlung der Patienten benötigte. Skalpelle, Pinzetten und eine Metzenbaumschere für die OPs. Cipro und Ancef zur antibiotischen Behandlung. Pepcid für Geschwüre. Eisenpräparate für die Frauen und Multivitamintabletten für die Kinder. Lidocain in dreißig Kubikzentimeter fassenden Fläschchen für die örtliche Betäubung und Ketamin als Anästhetikum. Außerdem hatte er noch Prednison, Zyrtec, Noradrenalin und zahlreiche andere Medikamente für alle möglichen Beschwerden und Krankheiten, die die Vorstellungskraft der meisten Ärzte überstiegen. Darüber hinaus fanden sich im Sack noch chirurgisches Nähmaterial, Injektionsspritzen, Verbandsmaterial, elastische Binden und jede Menge in Alkohol getränkte Tupfer.
    Die nächste Stunde verbrachte Jonathan damit, die Behandlungsräume für den anstehenden Tag vorzubereiten. Er zündete ein Feuer an, brachte Wasser zum Kochen und sterilisierte seine Instrumente. Anschließend fegte er den Boden im OP-Raum aus und breitete eine saubere Plastikfolie aus. Zum Schluss verteilte er Arzneien und medizinisches Zubehör aus dem Seesack auf die Behandlungsräume und kontrollierte den Bestand seiner Medikamente.
    Um Punkt sieben empfing er den ersten Patienten, einen zehnjährigen Jungen, dessen linkes Bein unterhalb des Knies amputiert worden war. Er humpelte auf einer plumpen Holzprothese ins Zimmer. Vor drei Jahren war er beim Spielen auf den Feldern auf eine russische Landmine getreten. Die Amputation war stümperhaft durchgeführt worden. Da die Durchblutung des Beins gestört war, hatte sich der Stumpf böse infiziert. Die Wunde musste debridiert und gesäubert und der Junge dringend auf Antibiotika gesetzt werden.
    »Du spürst nur einen kleinen Piks«, sagte Jonathan und zog eine Spritze Lidocain auf. »Es tut überhaupt nicht weh …«
    In diesem Moment stürzte Hamid in den Raum. »Wir müssen sofort von hier verschwinden«, stieß er atemlos hervor.
    Jonathan betrachtete ihn ungerührt. »Du kommst zu spät.«
    »Hörst du nicht, was ich gesagt habe?« Hamid war klein und dürr. Er hatte etwa zehn Kilo zu wenig auf den Rippen und schmächtige Schultern, doch er war ein aufgeweckter Bursche, dessen Kopf ständig in Bewegung zu sein schien. Jonathan hatte ihn kurz nach seiner Ankunft in Kabul vor den Räumen einer medizinischen Hilfsorganisation gefunden. Oder vielmehr: Hamid hatte ihn gefunden und ihm seine Dienste als Übersetzer, Reiseführer und medizinische Hilfskraft für einen Wochenlohn von fünfzig Dollar angeboten. Er war Medizinstudent im zweiten Jahr. Jonathan hatte ihm vierzig Dollar geboten, wenn Hamid ihm einen brauchbaren Wagen mit Allradantrieb besorgen könnte und bereit wäre, mit ihm in die Rote Zone zu gehen. Hamid war einverstanden gewesen, und seitdem begleitete er Jonathan.
    »Ja, ich habe dich gehört«, sagte Jonathan.
    »Sie kommen.«
    Jonathan wusste, dass Hamid von den Taliban sprach, jenen orthodoxen islamistischen Kämpfern, die sich im Krieg mit Amerika und den afghanischen Streitkräften befanden und die Kontrolle über das Land zurückerlangen wollten, damit die Bevölkerung wieder streng nach den Gesetzen des Islam lebte.
    »Es ist Sultan Haq. Sie haben fünfundsechzig Kilometer von hier ein Dorf überfallen und die Honoratioren massakriert.«
    Jonathan ließ sich die Information durch den Kopf gehen. Er hatte schon von Haq gehört, einem ausgesprochen heimtückischen Warlord der Taliban mit einer eigenen Miliz im südlich gelegenen Laškar, doch sein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher