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Getrieben: Thriller (German Edition)

Getrieben: Thriller (German Edition)

Titel: Getrieben: Thriller (German Edition)
Autoren: Christopher REICH
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Fenster drang von irgendwo das Brüllen eines Kamels an Jonathans Ohren. Laut diskutierend näherten sich drei Dorfbewohner der Hütte. Jemand zog einen quietschenden Handkarren hinter sich her. Jonathan, der sich nun schon seit einer Woche in Khos-al-Fari aufhielt, wusste mittlerweile, dass der Karren dem Dorfmetzger gehörte. Mit ihm brachte er täglich eine Fuhre frisch geschlachteter Ziegen zum Bazar, um sie dort an Haken vor seiner Bude baumelnd zum Verkauf anzubieten.
    Holpernd und quietschend rumpelte der Handkarren des Metzgers bergab. Die Stimmen der Männer verloren sich in der Ferne. Außer dem unheimlichen Rauschen des Gar, der durch eine nah gelegene Felsschlucht floss, war nun nichts mehr zu hören.
    Jonathan verharrte regungslos auf seiner Lagerstatt. Die eisige Morgenluft bohrte sich wie winzige Nadelstiche in seine Wangen. Es war erst Mitte November, aber an den kargen steilen Berghängen im Osten Afghanistans hatte der strenge Winter bereits Einzug gehalten.
    So verstrich eine Minute. Er hörte immer noch nichts.
    Plötzlich durchbrach ein Schuss die Stille. Ein einzelner Schuss, wie Jonathan vermutete, aus einer großkalibrigen Waffe. Er wartete vergeblich auf weitere Schüsse und fragte sich, ob er vielleicht den verirrten Schuss eines Jägers auf der Jagd nach einem Marco-Polo-Schaf gehört hatte.
    Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es kurz vor fünf war. Höchste Zeit aufzustehen. Mit einem Seufzer öffnete er den Reißverschluss seines Schlafsacks und streifte ihn sich von den Füßen. Fröstelnd zündete er die Kerosinlampe an und zog sich eilig ein zweites Paar Wollsocken und eine abgewetzte flanellgefütterte Cargohose an.
    Auf einem Klapptisch in der Zimmerecke standen eine Waschschüssel mit Waschlappen und ein Krug Wasser, daneben Jonathans Zahnbürste und Zahnpasta. Er griff nach dem Krug und goss etwas Wasser in die Schüssel. Es war über Nacht leicht gefroren, sodass nun kleine Eisplättchen auf dem Waschwasser umherschwammen. Mit klappernden Zähnen wusch Jonathan sich Hände und Gesicht. Dann rubbelte er sich kräftig mit dem Waschlappen den Oberkörper ab, damit ihm wärmer wurde. Anschließend trocknete er sich ab, schlüpfte in Hemd und Weste und putzte sich die Zähne. Seine Haare waren inzwischen so lang und verfilzt, dass sie mit der Bürste nicht mehr zu bändigen waren. Jonathan versuchte, sie mit den Fingern in Form zu bringen, gab aber schon bald frustriert auf.
    »Hamid, wach auf.«
    Zum Schutz gegen die Kälte hatte sich Hamid den Schlafsack bis über beide Ohren gezogen. Jonathan durchquerte den Raum bis zu Hamids Schlafplatz und versetzte ihm mit dem Fuß unsanft einen Stoß. »Los, beweg dich.«
    Ein wirrer schwarzer Haarschopf schob sich aus dem Schlafsack. Schlecht gelaunt blinzelte Hamid in die eisige Luft des anbrechenden Tages. Im fahlen Morgenlicht traten die Tränensäcke unter seinen Augen noch stärker hervor, und er wirkte älter als neunzehn. »Au, das tat weh.«
    »Los, kriech endlich aus dem Schlafsack. Wir haben heute jede Menge Arbeit vor uns.«
    »Nur noch eine Sekun …«
    »Jetzt sofort!«
    Mürrisch setzte Hamid sich auf und zog sein Handy aus dem Schlafsack, um seine SMS zu checken.
    Jonathan beobachtete ihn dabei und fragte sich zum hundertsten Mal, warum es hier in den Dörfern zwar überall Handyempfang, aber nirgends Strom gab. »Nachricht von deiner Mama?«
    Hamid blickte noch nicht einmal von seinem Handy auf. »Haha. Sehr witzig.«
    »Wie du meinst. Aber jetzt leg endlich das Ding weg, und komm in die Gänge. Wir treffen uns dann später in der Krankenstation.«
    Jonathan packte den Seesack, in dem er seine medizinische Ausrüstung verstaut hatte, und warf ihn sich über die Schulter. Dann streifte er sich die Pakol-Wintermütze über den Kopf, öffnete die Tür und sog die kalte Morgenluft tief in die Lungen. Es roch nach brennendem Feuerholz, feuchtem Laub und Torf. Die Gerüche waren ihm nur allzu vertraut. Sie stammten aus einer Welt fernab jeder Zivilisation.
    Acht Jahre lang war Jonathan als Mediziner für Ärzte ohne Grenzen um die ganze Welt gereist. Er hatte in den entlegensten Winkeln Afrikas, im Kosovo, in Beirut und im Irak gearbeitet. Wo immer er auch gewesen war, war es ihm stets darum gegangen, all jene ärztlich zu versorgen, die am dringendsten Hilfe benötigten. Politik hatte dabei nie eine Rolle gespielt. Egal, ob gut oder böse, für ihn waren alle, die zu ihm kamen, immer nur Patienten.
    Vor zwei Monaten war er nach
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