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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition)
Autoren: Joachim Feyerabend
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bisher für uns getan? He? Fast nichts, he, ein paar lausige Kröten für die Schule. Also, was soll’s!“
    „Ja, aber bringen wir das wirklich?“ Der Lobsterking goss sich bei seiner Frage eine mächtige Hieve des braungoldenen, hochprozentigen Stöffchens in die Tasse und nahm mit einem gedehnten „Ah“ gleich einen ebenso mächtigen Schluck. „Ich meine, so mit Parlament, all den Ministern und dem anderen Gedöns.“
    „Das alles brauchen wir nicht!“
    Xirian war unvermittelt aufgestanden, rieb sich die Nase und fuhr mit großem Ernst fort: „Cape war früher ein Königtum. Das ist es, was wir wieder beleben sollten. Wir rufen eine Monarchie aus und beziehen uns auf die alten Traditionen. Schließlich ist ‚Dunamore Castle’ der beste Beweis für eine glorreiche, königliche Vergangenheit.“
    Dunamore Castle war nurmehr der Rest einer Burgruine in der Nähe des Nordhafens, die wohl noch aus der Zeit der Kelten oder aus dem Mittelalter stammte.
    Als er dies sagte und seinem eigenen Ausspruch fast verwundert nachlauschte, war ihm, als sei der Geistesblitz gar nicht von ihm selbst gekommen. Wieder musste er mit Erschauern an die Stimmen aus dem Nebel denken. Doch darüber schwieg er lieber, sonst hätten ihn die anderen vielleicht nur etwas milde ausgelacht.
    „Ein Königtum, genau das ist es!“ Neil war Feuer und Flamme. „Monaco beispielsweise ist ein Fürstentum. Das zieht die Menschen an. Royals sind immer ein Thema, wo du auch hinschaust, von der Queen bis nach Asien. Und ein König auf Cape, das würde durch die Weltpresse gehen und uns ganze Kolonnen von Besuchern herbei zaubern. Oder, was haltet ihr davon?“
    Zustimmendes Gebrummel war die Antwort. Das hörte sich in der Tat gut an und im Geiste sahen sie bereits ihr Fährboot vor sich, gefüllt mit zahlungskräftigen Touristen aus aller Welt. Vor diesem Hintergrund wäre selbst das einträgliche Schmuggelgeschäft nur ein Sack voll Peanuts.
    „Ja zum Teufel auch, wer soll denn der König sein? Und müssten wir da nicht etwa sogar einen Palast bauen?“, fragte der Fischer Paddy O’Donohogue skeptisch. „Dazu haben wir doch gar kein Geld!“
    „Nichts da mit Palast!“
    Wieder ergriff Xirian das Wort. „Ein Bauern- und Fischerkönig wird es sein, ein Mann aus dem Volk, der da bei jeder Sonnenwend’ mit einem bronzenen Reif auf dem Kopf vor seine Mannen tritt und die Feiern eröffnet – eine Attraktion, die andere Inseln nicht zu bieten haben. Überhaupt sollten wir die alten keltischen Überlieferungen wieder mehr pflegen und ganz besonders unseren Hochzeitsstein nicht vergessen. Der lockt junge Paare aus ganz Europa an. Und erst die Japaner, die fahren sogar in die Schweizer Alpen und bezahlen dort viel Geld für eine Gletscherheirat.“
    Der blinde Seher spielte auf einen Monolithen an, einen sogenannten Schwörstein, der wie durch ein Wunder in grauer Vorzeit auf die Hügel verpflanzt worden war. Er hat in seiner Mitte ein Loch und nimmt im Brauchtum der Eiländer eine große Bedeutung ein. Ein hier gegebenes Eheversprechen gilt als Bindung, bis der Tod die beiden Menschlein scheidet. Der Bräutigam stellt sich auf die eine Seite, die Auserwählte auf die andere, beide reichen sich durch das Loch die Hände und der Bund fürs Leben ist besiegelt. Das war schon vor tausend Jahren so und gilt heute nicht anders.
    „Nach meiner Ansicht müsste der König ein Driscoll sein, so wie das früher war!“, führte der Blinde seine Rede fort. Und er blickte dabei Nathaniel O’Driscoll an, den reichsten Bauern der Insel, der sogar ein Paar Kühe besaß. Nathaniel war ein grobschlächtiger, kräftiger Mann mit einem Stiernacken und trotz seines fortgeschrittenen Alters pechschwarzen Haaren. Böse Zungen munkelten, er würde da mit Schuhwichse etwas nachhelfen.
    „Ha, ha, aber nicht mit uns!“ Fischer Paddy sprang entrüstet auf. „Da bleiben die O’Donohogues auf der Strecke und die sind mindestens ebenso so lang auf der Insel. Oder bezweifelt das jemand?“
    „Gut, gut“, lenkte der Blinde ein, „dann stellen die Donohogues eben den Vizekönig und teilen sich die Regierungsgeschäfte mit den Driscolls! In Wirklichkeit bestimmt ohnehin unser Rat die nötigen Dinge.“
    Erneut hatte er das Gefühl, dass er sich dies gar nicht selbst ausgedacht und gesagt hatte. Es sprudelte einfach so aus ihm heraus.
    „Ich muss mich hüten“, dachte er erschrocken, „die wollen von mir Besitz ergreifen.“ Und er nahm sich vor, nichts mehr spontan
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