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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition)
Autoren: Joachim Feyerabend
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Boden sank.
    Paddy wollte etwas rufen. Doch die Stimme blieb ihm in der Kehle stecken. Tränen schossen ihm in die Augen. Hilflos streckte er die Arme aus. Doch er wusste, dass es zu spät war.
    Ein jäher Windstoß fuhr in den Scheiterhaufen und ließ die Funken himmelhoch stieben. Paddy meinte, Blitze zu sehen, ein kurzes dröhnendes Donnergrollen zu vernehmen.
    Das Opfer war vollbracht.
     
    Weit draußen auf dem Ozean nahm ein Schiffer den Schein über der höchsten Erhebung der kleinen Insel wahr. Er war mit seinem Frachter vor dem Gewittersturm nach Norden ausgewichen. Das helle Flackern irritierte ihn. Es war nicht weit vom Lichtfinger des Fastnet Rock zu sehen.
    „Das kann nur ein Sonnenwendfeuer sein“, kommentierte sein Erster Offizier.
    Doch was war das?
    Die beiden Nautiker sahen plötzlich, wie sich aus der Lohe lange, grünlich schimmernde Schleier lösten, wie Nordlichter himmelwärts wirbelten. Blitze zuckten um sie herum, obwohl kein Wölkchen am Himmel stand. Dann war es schlagartig dunkel. Nur ein schwaches Glimmen blieb.
    Sie konnten es nicht wissen und hätten es auch nicht geglaubt. Ein 3000 Jahre währender Fluch löste sich in diesem Moment. Doch außer dem entsetzten Paddy erfuhr niemand jemals von dem Opfertod seines Freundes.

Epilog
    Ein lauer Sommertag lümmelte über dem Südhafen der kleinen Felsentrutzburg im Atlantischen Ozean. An den Hängen wucherte wilder Fingerhut und schwang in einer leichten Brise hin und her. Der Stechginster leuchtete wie immer dunkelgelb von den Hängen, Fuchsien und Honeysuckles standen am Wegrand. Hin und wieder wagte sich ein wildes Kaninchen aus seinem Bau und jagte in Zickzack-Sprüngen zurück in sein Loch. Ab und zu näherte sich ein Fußgänger.
    Ein friedlicher Tag auf der Insel begann. Im Nordhafen hatten schon früh zwei schmucke Jachten festgemacht. Die eine kam aus Galway, die andere von der französischen Küste bei Le Havre. Neugierig wurden die Segler von den Kindern des Eilands begafft, bevor sich die Rasselbande weiter zur Schule am Südhafen trollte.
    Unter ihnen war die kleine Marie Ann, Tochter von Patrick O’Donohogue und seiner Dubliner Frau Brighid. Sie hatte vor Jahren vor lauter Trennungsschmerz ihr Studium geschmissen und den Insulaner geheiratet.
    „Wenn du das mal nicht bereust“, hatte der besorgte Gelehrte mehrfach gemahnt. „Du stehst doch kurz vor dem Abschluss! Also ich weiß nicht, ob das gut geht?“
    Aber schließlich musste er sich fügen. Seine Tochter hatte ihn daran erinnert, dass auch er sich seinerzeit bei der Entscheidung für ihre Mutter sicher nichts hätte dreinreden lassen. Das überzeugte ihn. Sie hatte schließlich seinen Dickkopf geerbt.
    Bis zu seinem Tod erledigte eine treue Haushälterin aus Donegal seinen Haushalt. Und es klappte wider Erwarten gut.
    Brighid jedenfalls vermisste das Stadtleben nicht einen Tag und fühlte sich unerklärlicherweise heimgekehrt. Und unerklärlicherweise hatte sie damit recht.
    Sie genoss den großen Atem eines Weltmeeres so, wie ihre Urahnin, die Geliebte Schwerthands. Ohne, dass sie es wissen konnte, folgte der spontane Urlaub auf dem Atlantikparadies einer höheren Bestimmung. Sie kannte, wie auch die anderen Einwohner, die Hintergründe und Schicksalsfäden nicht, die sie und Patrick damals führten Und es war gut so.
     
    Fischer Paddy, der einzige, der um das Geheimnis weiß, ist sichtlich gealtert. Doch nach wie vor rudert er in seiner olivgrünen Öljacke zum Fischen raus. Er lebt immer noch alleine. Es hat sich partout keine Frau für den Hagestolz finden lassen.
    Der alte Declan ruht inzwischen auf dem kleinen Friedhof hinter der Kirche. Viele ältere Bewohner erinnern sich noch schmunzelnd an seine Gesänge, wenn er mal wieder ein Pint seines geliebten „Murphy’s“ wollte und bei „Cotter’s“ mit brüchiger Stimme „Dirty old town“ sang, zufrieden und in kleinen Schlucken das geliebte Gebräu verinnerlichte.
    Die Insulaner diskutieren gegenwärtig die Anschaffung eines Windrades zur Stromerzeugung. Der altersschwache Dieselgenerator in einem Schuppen am Nordhafen, der früher gegen Abend ein bisschen Strom für die Lampen erzeugte, erfüllt seinen Zweck nicht mehr.
    Ganz langsam greift die Moderne auch nach diesem beschaulichen Flecken in den blauen Weiten des Atlantiks. Inzwischen kommen auch mehr Touristen. Neben der Jugendherberge gibt es ein oder zwei Gästehäuser; einige Insulaner bieten in der Saison Bed & Breakfast an. Die ankommenden
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