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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition)
Autoren: Joachim Feyerabend
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kurz im weißen Haupthaar des nächtlichen Besuchers. Wie verabredet klopfte dieser dreimal kurz an die Pforte. Sie wurde blitzschnell einen Spaltbreit geöffnet und der Blinde huschte in die Stube. Sofort schloss sich die Tür wieder.
    Im großen Innenraum mit seiner rauchgeschwärzten Balkendecke, der Werkstatt, Küche, Ess- und Wohnzimmer in einem war, nahm ihn Neils Frau Cathleen in Empfang und geleitete ihn fürsorglich zu dem mächtigen Bohlentisch, an dem bereits die anderen Verschwörer Platz genommen hatten. Im Kamin loderte ein munteres Feuer und warf seinen flackernden Schein auf die geheime Versammlung.
    Neil saß an der einen Kopfseite des Tisches, der blinde Seher wurde ihm als Ehrengast auf der anderen Seite gegenüber mit dem Rücken zum wärmenden Kamin platziert.
    „So“, hob der Ledermacher an, „dann sind wir ja fast vollzählig. Es fehlt nur noch unser guter Postmaster.“
    Und, als wäre es so verabredet gewesen, klopfte es in diesem Augenblick erneut dreimal an die Tür. Cathleen öffnete und der Postmaster stapfte, in eine einstmals aus einem Paket für einen fremden Gast gemopsten gelben Plastikpellerine gehüllt, in den Raum. Die Feuchtigkeit des Nebels perlte noch von seinem Umhang ab. Der Ankömmling ging wohl deshalb erst mal zum Kamin und rieb sich die feisten Hände.
    „Verdammt frisch da draußen“, meinte er mit seiner etwas näselnden Stimme. „Aber was tut man nicht alles für unser geliebtes Inselchen!“
    Dann setzte er sich ächzend zu den anderen. Die kühle Feuchtigkeit des Nebels ließ die ekelhaften, rheumatischen Schmerzen wieder aufwachen, die ihn seit Jahren plagten.
    Cathleen hatte frischen Tee aufgebrüht und stellte die dampfende Blechkanne auf den Tisch. Dankbar griffen die Männer zu.
    „Ah“, meinte der Postmaster plötzlich, „ich habe da etwas zur Verdünnung eingesteckt.“ Und er fummelte in den Taschen seines hinter ihm über die Stuhllehne geworfenen Umhangs und zauberte eine Flasche besten, abgelagerten Jamaika-Rum ans Licht.
    „Das habe ich noch von den goldenen Zeiten übrig“, kicherte der ansonsten für seinen Geiz bekannte Dickwanst und übertraf sich damit scheinbar selbst. In Wahrheit jedoch fehlte ihm sein gewohntes „Murphy’s“ aus „Cotter’s“ und er lechzte dem Anheben seines stark gesunkenen Alkoholpegels entgegen. Da konnte er schon mal den Geiz überwinden.
    „Ja, die sind ja nun zu unserem Unglück ein für alle Mal vorbei“, fuhr er im Plauderton fort. „Unser Holländer, Mijnheer van der Straaten, hat Reißaus genommen und sich mit seiner ‚Seute Deern’ auf Nimmerwiedersehen verpisst.“
    „Ich könnte diesen dämlichen Benny aus Skibereen, diesen Grünschnabel mit seiner großen Schnauze, dafür heute noch verprügeln“, warf Captain Prawn brummig dazwischen. „Setzt sich in Baltimore bei „Lister’s“ ausgerechnet neben den einzigen Zöllner hier unten und plappert im Suff unser über viele Jahre wohl gehütetes Geheimnis aus, das Arschloch, das blöde. Und schwupp war’s aus mit unserem guten Geschäft, kein zollfreier Tabak mehr, kein Sprit, nichts. Alles vorbei Tom Dooly! Der vermaledeite Zollkreuzer tauchte im Südhafen auf und der Holländer verduftete sang- und klanglos. Unsere Jungs verkrümelten sich ohne Ware in den Nordhafen und wir können den fetten Jahren nur noch nachweinen!“
    „Womit wir schon beim Thema wären“, fuhr der Ledermacher fort und stopfte bedächtig seine Hängepfeife, eine schwarze „Peterson“. Auch die anderen Männer rauchten. Der Qualm des Knösels waberte in bläulichen Schlieren durch die Bude.
    „Wie ich euch schon erzählt habe, leben andere Inseln und sogar ganze Kleinstaaten recht gut von ihrem zoll- und steuerfreien Status. Ich denke da nur an Monaco.“
    „Das ist richtig“, machte sich der Postmaster wichtig. „Da hocken sie säckeweise auf Geld. Und schöne Briefmarken haben sie auch. Ich habe das irgendwo gelesen.“
    „Richtig, mein Lieber, auch die Engländer machen so was, auf der Isle of Man und auf ihren Kanalinseln. Steuerfreiheit für angelegte Schwarzgelder, Scheinfirmen, Briefmarken für Sammler, Heiratsparadies und ein schwunghafter Tourismus. Und was die können, sollte uns allemal gelingen. Was meint ihr? Wir müssen uns nur dazu aufschwingen, einen unabhängigen Staat auszurufen. Aus der Dreimeilenzone sind wir hier ohnehin raus, könnten vielleicht sogar Pässe an Staatenlose verkaufen, Briefkastenfirmen anbieten. Und was hat die Regierung
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