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Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall

Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall

Titel: Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hat mein Tod einen Sinn, denn ich werde Ihnen, liebe Verbraucherin, lieber Verbraucher, auf Ihrem Teller Genuss bereiten, als Putenschnitzel, Putenstreifen, geräucherte Putenbrust, Putenleber, Putenrollbraten, Putenkeule, Putenbrustfilet, als gesunde Geflügelwurst und in vielen anderen leckeren Dingen mehr.
    Mir bleibt nur noch, Ihnen einen recht guten Appetit zu wünschen! Ansonsten nichts für ungut – ich bin nur irgendeine
     
    dumme Pute.

Kapitel I
     
    Blutrot wallte es auf im Topf. Dunkles rotes Blut. Gab es da nicht irgendeinen Grund für den Unterschied in der Farbe, so ein helleres und ein dunkleres Rot? Woran lag das noch mal? Das eine war wohl venöses und das andere arterielles Blut. Aber was bewirkte die unterschiedliche Farbgebung? Es hing irgendwie mit dem Sauerstoffgehalt zusammen, erinnerte sich Lina vage. Eine genauere Erklärung fiel ihr nicht ein. Egal, dies hier war das dunkle Rot, und sie fand die Farbe wunderschön. Sie schöpfte zwei Kellen davon auf einen Teller, streute ein paar geröstete Cashewkerne darüber, setzte einen Klecks Schlagsahne darauf und dekorierte mit ein paar Korianderblättchen. Ein perfektes Farbspiel! Und wie das wärmte! Die Schärfe des Ingwers in der süßsäuerlichen Rote-Bete-Suppe tat gut, und die Kombination schmeckte herrlich.
    Zufrieden stellte Lina den leer gegessenen Teller in die Spülmaschine. Die Suppe würden die Leute mögen. Jetzt sollte sie aber erst einmal Feierabend machen. Es war nach zwei Uhr, und um neun öffnete sie normalerweise das Café. Allerdings war Anfang November, und nur ganz selten verlief sich jemand am Morgen auf die Promenade und noch weniger in das Strandcafé › Torten, Suppen, Meer‹. Touristen waren rar um diese Jahreszeit. Ab und zu eine junge Familie mit kleinen Kindern, ein paar Frauen aus dem Kurheim, hin und wieder tauchten welche von den Rentnern und Pensionären auf, die hier eine Zweitwohnung besaßen. An den Wochenenden kamen manchmal auch ein paar Tagesgäste.
    Lina löschte das Licht und pfiff leise durch die Zähne. Die beiden Hunde, die in einer Ecke des Cafés gedöst hatten, kamen auf die Beine, gähnten und streckten sich und trotteten zur Tür. Sie schloss das Café ab und schwang sich auf ihr Fahrrad. Teufel sprang vorweg und Madame kam in gemessenem Tempo hinterher. Es war windstill und nicht sehr kalt, aber die Feuchtigkeit drang einem unter die Klamotten und hängte sich in winzigen Tröpfchen in Linas dunkle Locken. In behäbigem Rhythmus hörte sie die Ostsee an den Strand rollen. Der Nebel war noch dichter geworden. Dabei hatte sie schon vorhin, als sie mit Kai zurückgefahren war, die weißen Schwaden und die schlechte Sicht auf der Autobahn beängstigend gefunden. Dazu noch ihre aufgewühlte Stimmung nach dem, was sie in Lübeck gesehen und vor allem erfahren hatte. Selbst Kais freundliches, vernünftiges Wesen hatte heute seine beruhigende Wirkung auf Lina nicht entfaltet.
    Sie hatte gewusst, sie würde nicht schlafen können. Nicht nach diesen Bildern, die ihr nicht aus dem Kopf gehen wollten. Doch viel schwerwiegender war etwas anderes: Dass sie wieder einmal zu gutgläubig gewesen war. Diesem Menschen vertraut zu haben, war ein Riesenfehler, das war Lina inzwischen klar. Sie hätte es besser wissen müssen. Jetzt war es zu spät. Oder ob es Sinn hatte, ein weiteres Mal dorthin zu gehen? Vielleicht konnte sie doch noch irgendwas retten. Ja, gleich morgen früh musste sie versuchen, die Sache wieder geradezubiegen.
    Nein, an Schlaf war nicht zu denken gewesen, so voll wie sie den Kopf bei ihrer Rückkehr gehabt hatte. Zwischendurch nervte Olaf auch noch, der ihr ständig SMS schickte, nachdem sie seine Anrufe nie angenommen hatte. Irgendwann hatte sie das Handy einfach ausgeschaltet.
    So war sie noch ins Café geradelt, um die Suppe für morgen vorzubereiten, denn ein paar einheimische Stammgäste fanden sicher den Weg zu ihr. Vor allem aber brachte sie das Kochen auf andere Gedanken, es entspannte und versöhnte sie mit der Welt. Aber was für eine Welt war das? Voller Grausamkeiten. In der solche Dinge geschehen durften, scheinbar geschehen mussten. Wut und Entsetzen erfüllten sie wieder. Fressen und gefressen werden. Würde das denn nie aufhören?
     
    Er rappelte sich im dunklen Treppenflur hoch. Der Zusammenprall war so überraschend gekommen und so heftig gewesen, dass er aus dem Gleichgewicht geraten und gestrauchelt war. Hätte die Wand ihn nicht aufgefangen, wäre er unweigerlich in der
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