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Geschichte Irlands

Geschichte Irlands

Titel: Geschichte Irlands
Autoren: Benedikt Stuchtey
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geographischen Gebildes Irland betrachten, dass es dynamischer auf äußere Veränderungen reagieren und innere Entwicklungen im Spannungsfeld von archaisch und lateinisch geprägten Zivilisationen leichter auffangen konnte.
    Sozialgeschichtlich betrachtet präsentierte sich das spätmittelalterliche Irland in einem Zustand des Niedergangs. Der Bevölkerungsrückgang als Konsequenz von Seuchen war in den dichter besiedelten Städten besonders hoch, er wird für das frühe 16. Jahrhundert auf 50 % geschätzt. In diesem Kontext erreichten die Anglo-Iren wie z.B. die Ormonds, dass die englische Krone vorübergehend fast vollständig auf ihre Unterstützung setzen musste. Denn erstens war der englische Einfluss auf ein Gebiet von etwa 30 x 45 Kilometern im Umkreis von Dublin, seit 1446 als «Pale» bezeichnet und seit 1494 mit einem Wallgraben gesichert, geschrumpft und ansonsten nur noch in wenigen Städten wie Athlone, Meath, Trim und Wicklow real vorhanden. Um 1500 waren insbesondere Ulster und Connacht wieder vornehmlich gälisch geworden. Die wiedergewonnene Freiheit bedeutete allerdings nicht territoriale Einheit, denn die englische Politik des «Teile und herrsche» hatte zu nachhaltig für Unfrieden unter den zahllosen irischen Anführern, den «Chieftains», gesorgt. Zweitens aber war es nur eine Frage der Zeit, dass die Tudors die Kontrolle über die Insel zurückerobern würden, und es war klar, dass die Anglo-Iren dabei eine wichtige Rolle übernehmen sollten. Der englische Lord Lieutenant Edward Poynings erließ 1494 ein Gesetz, das parlamentsähnliche Zusammenkünfte der Iren ohne Zustimmung des Königs untersagte und diese damit politisch entmündigte. Als dann im 16. Jahrhundert die Politik der «Plantation» eingeführt wurde, die gezielte Ansiedlung englischer und schottischer Bauern, Handwerker und Kaufleute und die vorausgegangeneUmsiedlung und Enteignung der gälischen Bevölkerung, war dies eine Antwort auf die Erfahrungen des Spätmittelalters. Es entsprach der systematischen Unterwerfung Irlands und der neuerlichen Kolonisierung eines Landes, das inzwischen als unregiert und unregierbar galt.

II. Reformation und Restauration
1534–1691
    Der konfessionelle Gegensatz zeichnete die Frühmoderne Irlands stärker als andere Entwicklungen wie z.B. der in England sich ausbildende Merkantilismus und der im kontinentalen Europa verbreitete Frühabsolutismus. Im keltischen Irland mit seiner gälischen Stammesverfassung und im protestantischen Irland der Ascendancy mit seinem auf dem normannischen Feudalismus aufbauenden englischen Kolonialsystem entstanden zwei Gesellschaften, die durch unüberbrückbare Gegensätze gespalten und doch miteinander verwoben waren. Die Religion war in diesem Prozess eine treibende Kraft.
    Poynings’ Gesetz von 1494 verhinderte auf lange Zeit Irlands politische Eigenständigkeit. Der daran geknüpfte Machtanspruch Westminsters war nicht von der Hand zu weisen. Er gipfelte im «Reformationsparlament», das Anfang 1534 den Bruch Heinrichs VIII. mit Rom vervollständigte und erhebliche Auswirkungen auf das religiöse Leben in Irland hatte. Am Ende der Epoche aber, die dieses Kapitel beschreibt, im Oktober 1691, wurden den Katholiken Irlands im Vertrag von Limerick die religiösen Privilegien garantiert, die sie bis 1685 unter Karl II. genossen hatten. Der Schlüsselbegriff dieses Kapitels ist Religion. Die durch die Reformation verschärften konfessionellen Gegensätze in Irland wurden im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts im eigentlichen Sinne zu politischen, militärischen, kulturellen und wirtschaftlichen Gegensätzen.
Wirtschaft und Gesellschaft
    Gesellschaftlich bot der irisch-englische Kontrast auf den ersten Blick keine Spielräume für einen Ausgleich. Allerdings fand zwischen dem frühen 16. und dem späten 17. Jahrhundert, zwischenReformation und Restauration, eine bemerkenswerte Verlagerung von Einflusszonen statt, die auch die irische Gesellschaft berührte. Stellte Dublin samt Pale zunächst den geographischen Kernbereich englischer Macht dar, so bildete sich in jenen 150 Jahren eine führende Schicht heraus, die in der Historiographie als «Old English in Ireland» beschrieben wird und die in ganz Irland statt nur in den östlichen Randgebieten präsent war. Die Grenzen des Pale hatten eine
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