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Geschichte Irlands

Geschichte Irlands

Titel: Geschichte Irlands
Autoren: Benedikt Stuchtey
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besteht aus den sechs Grafschaften Clare, Cork, Kerry, Limerick, Tipperary und Waterford. Das westliche Connacht (21 %) ist Irlands kleinste und historisch ärmste Provinz mit den fünf Grafschaften Galway, Leitrim, Mayo, Roscommon und Sligo.
    Will man sich der irischen Geschichte von den Anfängen bis in die Gegenwart nähern, so bieten sich verschiedene thematische Zugriffe an. Historikerinnen und Historiker Irlands haben neben den bereits genannten Spannungsfeldern Emigration und Fremdherrschaft stets auch auf andere verwiesen, wie etwa Religion, die keltische Kultur, die Landfrage, Arbeitslosigkeit, Armut und Gewalt. Teils sind sie spezifische Signaturen einer bestimmten Zeit, teils epochenübergreifend wirksam. Die religiöse Frage und die Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten haben seit der Reformation eine entscheidende politische Wirkung entfaltet. Darin unterscheidet sich Irland nicht grundlegend von der europäischen Entwicklung. Was aber als genuin irisch gelten kann, ist die soziale Sprengkraft des Religiösen, wie man sie in dieser Form sonst wohl nur in Polen findet. Kontinentale Besucher Irlands im 18. und 19. Jahrhundert haben hervorgehoben, wie die von ihnen beobachteten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme konfessionell verortet werden konnten. Hier verbietet sich eine allzu versöhnliche Interpretation der Vergangenheit von selbst.
    Der französische politische Denker Alexis de Tocqueville schilderte in seinen Reisebeschreibungen vom Sommer 1835 drei Grundzüge Irlands: die außergewöhnliche Armut, den unnachgiebigen Hass auf die landbesitzende Aristokratie und die feste Bindung an die Kirche der Vorfahren. Auch in der irischen Literatur bis hin zu William Butler Yeats und James Joyce sind diese Themen immer wieder angeklungen. In der Geschichtsschreibung wird zunehmend Wert darauf gelegt, sie nicht nur als Gelenkstellen der Nationalgeschichte zu begreifen, sondernsie in die europäische wie in die Globalgeschichte zu integrieren. Armut, Hungersnot und Emigration in die Neue Welt gehören unmittelbar zusammen, ebenso wie der protestantische Landadel und das missionarische wie militärische Engagement Irlands im Britischen Empire.
    Gleichwohl macht man es sich zu leicht, wenn man nur die üblichen Generalisierungen gegeneinanderstellt: Auf Enteignung der Mehrheit und Dominanz der kleinen Landelite seien Vergeltung, Rebellion und der katholische Nationalismus gefolgt. Oder umgekehrt: Als Antwort auf die katholische Rebellion von 1641 habe Cromwells Vernichtungsfeldzug in Irland folgen müssen. Die protestantische Führungsschicht (Ascendancy) des 18. und 19. Jahrhunderts hat (vergeblich) versucht, einen eigenen Weg zwischen den Fronten zu gehen. Diese Ambivalenz äußerte sich auch in Irlands Stellung im Britischen Weltreich. Betrachteten die republikanischen Bürgerkriegsparteien ihren Kampf in Nordirland seit 1969 als «antikolonialen Befreiungskrieg», so hatten sich besonders im 19. Jahrhundert unzählige Iren im Empire als Soldaten, Administratoren, Siedler, Lehrer und Missionare engagiert.
    Die Vernetzung der irischen Geschichte mit der europäischen ging anfänglich von der Insel aus. Christliche Missionare strömten im Frühmittelalter auf den Kontinent, um ihren religiösen Enthusiasmus zu verbreiten, mit dem sie in Irland zwischen dem 5. und dem 8. Jahrhundert über 800 Klöster als Stätten der Frömmigkeit und Gelehrsamkeit gründeten. Irlands Bedeutung für die europäische Geschichte in dieser Epoche war sicherlich einmalig. Im berühmten
Book of Kells
(um 800) kulminierte die Kunst der Buchmalerei als Verherrlichung des Wortes Gottes.
    Nach der sozialen und ökonomischen Katastrophe der europaweiten Pestpandemie von 1348–1352 mit rund 25 Millionen Toten setzte in Irland jedoch ein Niedergang ein, der der irischen Geschichte gleichsam ein Muster zugrunde legte: im fortwährenden Kampf um Freiheit, Unabhängigkeit, Anerkennung und Wohlstand gewöhnlich zu unterliegen. Dabei setzte der Misserfolg auch Chancen für ein exemplarisches historisches Verständnis frei. Langfristige Verlusterfahrungen konnten lehrreichersein als der kurzfristige Erfolg. Aus ihnen eine Identität zu schöpfen, wurde zu einer der irischen Geschichte eigenen Herausforderung. Im Schatten der Übermacht Englands konnte Irland zwar keine ruhmreiche Historie vorweisen, aber den
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