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Geschichte Irlands

Geschichte Irlands

Titel: Geschichte Irlands
Autoren: Benedikt Stuchtey
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Freiraum nutzen, um Geschichte zu schreiben. Dabei war an die für die irische Vergangenheit so bestimmende Perspektive des Unterdrücktseins eine große Hoffnung geknüpft, wie sie schon der Schriftsteller und Dekan der Dubliner St. Patrick’s-Kathedrale, Jonathan Swift, ausdrückte, als er 1724 sein Pamphlet
To the Whole People of Ireland
veröffentlichte. Swifts Botschaft ist ungebrochen aktuell. Es ging ihm um die Verbesserung von Staat, Ökonomie, Gesellschaft und Kultur in ihrer Einheit. Ob sie mit dem irischen Wirtschaftswunder des späten 20. Jahrhunderts, auch «Celtic tiger» genannt, erreicht wurde, sei zunächst dahingestellt.
    Der weite Weg bis dahin soll in diesem Buch beschrieben werden. Jedem der fünf Kapitel geht ein knapper Abriss voraus, jedes ist von einem Schlüsselbegriff geleitet. Das sind erstens
Invasion
(Mittelalter), zweitens
Religion
(Frühe Neuzeit), drittens
Zivilisation
(18. Jh.), viertens
Union
(19. Jh.) und fünftens
Nation
(20. Jh.). Diese Schlüsselbegriffe sind als Angebote konzipiert, nicht als ausschließliche Kriterien. Politische Eckdaten bilden das chronologische Gerüst, doch wird die politische Geschichte für sich genommen in diesem Buch nicht stärker gewichtet als die Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte. Den Ausgangspunkt für die Schilderung bildet die gälische Vor- und Frühgeschichte, bevor für Mittelalter (Kap. 1) und Frühe Neuzeit (Kap. 2) schärfer herausgearbeitet werden kann, wie Irland in Auseinandersetzung mit und in Abgrenzung von England Teil der europäischen Geschichte wurde. Seine Unterwerfung und der Unabhängigkeitskampf, die Methoden der Kolonisierung und des Aufstands, die Aufspaltung in den protestantischen Patriotismus des 18. Jahrhunderts (Kap. 3) und den katholischen Nationalismus seit Daniel O’Connell im frühen 19. Jahrhundert (Kap. 4): Diese Stationen von
Invasion
bis
Nation
sind bestimmende Richtungsweiser in einem langen historischen Prozess. Die geographische, politische, religiöse, soziale und kulturelleTeilung war nahezu unvermeidlich, und die Sehnsucht nach Frieden, Gerechtigkeit und Überwindung der sozialen Ungleichheit ist im Spannungsfeld von Gewalt und Bürgerkrieg als Grundmelodie zu vernehmen.
    Das geteilte Irland ist ein wirkmächtiges Motiv, das als Ursache für Armut, Emigration und überhaupt eine Geschichte der Gegensätze dominiert. Es ist überdies ein von vielen in Übersee lebenden Iren befestigtes Motiv, die bis zu den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA den Terrorismus und die Gewalt der IRA unterstützten. Danach jedoch war der Terrorismus vollständig delegitimiert, und erst jetzt wurde ein Ausgleich möglich. Da in der Geschichte Irlands schließlich die große Chance der Gemeinsamkeit und einer Annäherung zwischen Norden und Süden liegt, eröffnet sich in ihr im 20. Jahrhundert (Kap. 5) jenseits der nationalgeschichtlichen Pfade und der langen Teilungsgeschichte auch eine globalgeschichtliche Perspektive. Denn warum sollte eine irische Familie, die seit Generationen an der Ostküste der USA lebt, nicht gleichwohl ihren Teil zur Geschichte Irlands beigetragen haben?

1. Zeitalter der Invasionen
1169–1534
    Das irische Mittelalter, hier chronologisch ausgedehnt als die Zeit bis zur Unterwerfung Irlands durch Heinrich VIII. 1534 verstanden, ist vom Kernbegriff der Invasion geprägt. Gleichwohl ist es eine Zeit unvergleichlichen wirtschaftlichen, religiösen und kulturellen Reichtums. Obwohl Irland ständig von Zerstörung und Plünderung bedroht war, ist vor allem das frühe Mittelalter dank des Erfolgs der irischen Mission auf dem europäischen Kontinent besonders bedeutsam.
Vorgeschichte bis zum 12. Jahrhundert
    Der Eroberung Irlands durch die Normannen 1169 gingen Jahrhunderte der Kriege, Beutezüge, religiösen Konflikte und Plünderungen voraus. Seit dem Jahr 793 bis ins 11. Jahrhundert hinein fielen immer wieder Wikinger auf den Britischen Inseln ein und zerstörten die vorhandene Klosterkultur. Berühmte Beispiele sind die Klöster von Lindisfarne (in der englischen Grafschaft Northumberland), Rathlin (nördlich der Küste der nordirischen Grafschaft Antrim) und Iona (in den westschottischen Hebriden). Infolge der Missionierung durch den hl. Patrick im 5. Jahrhundert hatte die keltische
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