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Geschichte Irlands

Geschichte Irlands

Titel: Geschichte Irlands
Autoren: Benedikt Stuchtey
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Engländer in seine Verwaltung der Insel und führte den Fehler seiner Vorgänger fort – das administrative Personal blieb nur selten lange genug, um bestimmte Vorstellungen in tatsächliche Politik umzusetzen.
Zwischen archaischer Tradition und Modernisierung
    In vielen Bereichen der politischen, rechtlichen und kulturellen Geschichte Irlands kristallisierte sich im allmählich ausklingenden Mittelalter ein Charakteristikum heraus, durch das sich Irland vom römisch-lateinisch geprägten Resteuropa unterschied: die unauflösbar scheinende Spannung zwischen archaischen Traditionen und Modernisierung. Parallel zur Umgestaltung gesellschaftlicher Institutionen und Funktionen wie z.B. der politischen Führung durch Einzelne oder Familien («Clans») wurde weiterhin auf traditionelle Modelle zurückgegriffen. Im politischen Alltag bedeutete das z.B., dass neue Herrschaften geschaffen wurden, die alte Namen wie O’Connor oder O’Byrne trugen.
    Ohne Einfluss der Außenwelt verlief diese Entwicklung jedoch nicht. Von der relativen Offenheit Irlands zu dieser Zeit zeugt, dass keiner der größeren geistlichen Orden Europas darauf verzichtete, in Irland präsent zu sein, allen voran die Augustiner, Dominikaner und Franziskaner, und dass europäische adlige Reisende häufig irische Pilgerstätten aufsuchten. Das mittelalterliche Irland hielt zahlreiche Angebote für Gläubige bereit, die zur «Insel der Heiligen und Gelehrten» reisten. Frieden war eine wichtige Voraussetzung für diesen kulturellen, gelehrten und religiösen Austausch. Er hatte schließlich auch zur Folge, dass die unterschiedlichen irischen, englischen sowie anglo-irischen Traditionen und sozialen Gewohnheiten in Kontakt miteinander gerieten und sich verwoben.
    Mit dem Schwinden des englischen Einflusses übernahmen die Anglo-Iren irische Sitten und die irische Sprache und passten sich sogar in Kleidung und Haartracht sowie in der Namensgebungdem Land an, das für sie nicht mehr nur Gastland war. Sie beschäftigten Dichter, Barden und Musiker in ihren Häusern, suchten den Rat der irischen Rechts- und Schriftgelehrten, der Heilkundigen sowie der Verfasser von frühen historischen und geographischen Traktaten. Ihre Assimilation an die gälischen Sippenverbände und deren Lebensweise wurde intensiver, als die englische Krone Irland zunehmend nur noch als finanzielle Bürde betrachtete. Ihre gespaltene Loyalität aber wurde durch ihr soziales und nicht zuletzt wirtschaftliches Selbstbewusstsein verhüllt. Hingegen war der kontinuierliche Niedergang der englischen Lordschaft im Osten der Insel nicht aufzuhalten. Wenigstens dort hatte die englische Verwaltung noch großen symbolischen Wert. Wirtschaftlich war sie jedoch ein reines Zuschussgeschäft geworden.
    Auch politisch wurden die Anglo-Iren, wie etwa das Haus Kildare, zur tragenden, unentbehrlichen Säule, spätestens während der von 1455 bis 1485 dauernden Thronfolgekriege («Rosenkriege») zwischen den Häusern Lancaster und York, die mit der Thronerwerbung durch Heinrich (VII.) Tudor endeten. Doch das in dieser Zeit entstandene Machtvakuum in Irland konnte selbst das Haus Kildare nicht vollständig ausfüllen, trotz der Krisen, die durch die langjährige Abwesenheit englischer Territorialherren von ihren Besitzungen ausgelöst wurden.
Die Unregierbarkeit Irlands
    1394 bereiste mit Richard II. erstmals seit zwei Jahrhunderten wieder ein englischer König Irland. Er wurde von den irischen Stammeskönigen willig als Lehnsherr anerkannt, nicht zuletzt weil er ein Heer von 10.000 Mann im Gefolge hatte. Doch schon zu dieser Zeit war die Zersplitterung Irlands in zahllose kleine Herrschaften längst nicht mehr abzuwenden. Ob dieser Zustand den Vorteil hatte, den er bereits zur Zeit der Wikinger-Einfälle besaß, nämlich einen Schutz gegen die vollständige Übernahme durch einen Eroberer zu bieten, sei dahingestellt. Die Zerrissenheit Irlands im Mittelalter konnte zumindest dem englischen Einfluss entgegenwirken und ihn im besten Fall absorbieren.Die Idealisierung einer nationalstaatlichen und gesellschaftlichen Einheit, wie wir sie aus dem Europa des 19. Jahrhunderts kennen und etwa in der Verherrlichung legendärer irischer Könige wie Brian Boru wiederfinden, war dem mittelalterlichen Irland fremd. Zu Recht könnte man es als Stärke des unzusammenhängenden
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