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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus
Autoren: C.H.Beck
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verlässlichen sozialen Ordnung mit stabilen Identitäten verhindere, solange es nicht beispielsweise durch Gesetzgebung und Verwaltung gelinge, neue Formen der «Einbettung» der Märkte und damit der Beschränkung ihrer Dynamik zu erreichen. Das auf sehr unsicherer empirischer Grundlage beruhende und mit dem wirtschaftshistorischen Forschungsstand nicht zu vereinbarende Buch verkennt gründlich die soziale Geschichte
vor
der Industrialisierung, die bereits viel stärker von Märkten bestimmt und viel weniger idyllisch war als Polanyi unterstellt. Umgekehrt wird die Entfesselung der Marktkräfte für das 19. und frühe 20. Jahrhundert stark übertrieben. Doch enthält das Buch wichtige begriffliche Anregungen. Es übt auf die kritische sozialwissenschaftliche Kapitalismusanalyse der letzten Jahre erheblichen Einfluss aus.[ 13 ]
    Die meisten erkennen den Markt als notwendiges, wenn auch nicht hinreichendes Kriterium von «Kapitalismus». Der in den Jahrzehnten des Kalten Kriegs häufige Vergleich zwischen Kapitalismus und staatssozialistischer Zentralverwaltungswirtschaft ließ den Markt als essentiellen Bestandteil des Kapitalismus noch stärker in Erscheinung treten. Dagegen schrieb der Historiker Fernand Braudel an. In seiner dreibändigen «Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts» von 1979 lieferte er eindringliche Beschreibungen des entstehenden Kapitalismus, während er ihn in Abgrenzung zur «Marktwirtschaft» definierte. Zu dieser zählte er lokale Märkte, die Geschäfte der Händler und der meisten Kaufleute, aber auch etwa Messen und Börsen. Den Begriff «Kapitalismus» versuchte er dagegen auf die Geschäfte eines schmalen und recht exklusiven «Überbaus» von reichen, mächtigen Kapitalisten zu beschränken, die je nach Lage der Dinge im Fernhandel reüssierende Kaufherren, Reeder, Versicherer, Bankiers, Unternehmer, aber auch Gutsbesitzer waren, und zwar meistens mehreres zugleich. Im so verstandenen Kapitalismus «der höheren Etagen» habe die Konkurrenz keine große Rolle gespielt, die Monopolisierung von Marktchancen meist in engster Verbindung zu den politisch Mächtigen umso mehr.
    Damit machte Braudel zu Recht darauf aufmerksam, dass über lange Zeiträume hinweg die Verflechtung von Marktmacht und politischer Macht viel mehr die Regel gewesen ist als ihre säuberliche Trennung. Er brachte überdies die verbreitete Erfahrung pointiert auf den Begriff, dass innerhalb des Kapitalismus leicht oligopolistische und monopolistische Tendenzen hochkommen, die sich gegen das marktwirtschaftliche Grundprinzip der Konkurrenz wenden und dieses partiell außer Kraft setzen können. Trotzdem führt Braudels definitorische Entgegensetzung von Kapitalismus und Marktwirtschaft in die Irre. Auch in der Frühen Neuzeit und auch in seinen «oberen Stockwerken» war der sich herausbildende Kapitalismus durch sehr viel Konkurrenz, Gewinne und Verluste, Aufstieg und Abstieg, Chancen und Risiken gekennzeichnet. Er wurzelte in der Marktwirtschaft und trug in der Regel nicht zu ihrer Ausschaltung, sondern zu ihrer Verallgemeinerung bei. Im Wesentlichen gilt dies bis heute.[ 14 ]
    An Braudels Kapitalismusbegriff und seine weiterführenden Überlegungen zur außereuropäischen Geschichte des Kapitalismus haben u.a. Immanuel Wallerstein und Giovanni Arrighi angeknüpft, die der Frage nach den transnationalen, in letzter Instanz globalen Dimensionen des Kapitalismus wichtige Impulse vermittelten. Schon das «Kommunistische Manifest» hatte die globale Expansion des Kapitalismus vorausgesagt. Besonders sozialistische Imperialismustheoretiker wie Rosa Luxemburg, Lenin und Rudolf Hilferding hatten früh die grenzüberschreitenden Wirkungen und Verflechtungen des Kapitalismus thematisiert, vor allem die kapitalistischen Antriebe imperialistischer Expansion, die Abhängigkeiten zwischen ausgebeuteten Peripherien und imperial herrschenden Metropolen wie auch den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und internationalen Konflikten. Verschiedene Dependencia-Theorien und vor allem Wallersteins World System-Ansatz entwickelten diese Denktradition im dritten Viertel des 20. Jahrhunderts weiter. Zuletzt trieb Arrighi die Globalisierung der Kapitalismusforschung voran, indem er der räumlichen Verschiebung der weltwirtschaftlichen Schwerpunkte und kapitalistischen Leitregionen– von
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