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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus
Autoren: C.H.Beck
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«Macht der Kapitalien oder der Kapitalisten» und verwies auf Proudhon. In Deutschland wetterte 1872 der Sozialist Wilhelm Liebknecht auf den «Moloch des Kapitalismus», der auf den «Schlachtfeldern der Industrie» sein Unwesen treibe.[ 3 ]
    Zumindest im Deutschen wuchs der Begriff rasch über seine polemische Stoßrichtung hinaus. Karl Marx benutzte das Substantiv «Kapitalismus» zwar kaum, schrieb aber in den 1850er und 1860er Jahren ausgiebig und wirkungsvoll über die «kapitalistische Produktionsweise». Der mit staatssozialistischen Ideen sympathisierende Ökonom Rodbertus stellte 1869 fest: «Der Kapitalismus ist ein soziales System geworden». 1870 veröffentlichte Albert Schäffle, ein liberal-konservativer Professor der Nationalökonomie, sein Buch «Kapitalismus und Socialismus mit besonderer Rücksicht auf Geschäfts- und Vermögensformen». Darin ging er ausführlich auf den Gegensatz zwischen Lohnarbeit und Kapital ein. Auf Schäffle verwies Meyers Konversations-Lexikon, als es 1876 erstmals von «Kapitalismus» handelte, noch im Eintrag über «Kapital». Erst 1896 enthielt dieses weit verbreitete Nachschlagswerk einen eigenen, differenziert argumentierenden Eintrag für «Kapitalismus» als «Bezeichnung für die kapitalistische Produktionsmethode gegenüber der sozialistischen und kollektivistischen».
    1902 erschien Werner Sombarts großes Werk «Der moderne Kapitalismus», das entscheidend zur Einbürgerung des Begriffs beitrug. Seitdem nahm die sozialwissenschaftlich-historische Literatur rasch zu, die sich mit Theorie, Geschichte und Gegenwart des Kapitalismus befasste, zu einem erheblichen Teil in Auseinandersetzung mit Sombart, der sein Werk zwar als Fortsetzung und Vollendung des Marxschen Werkes verstand, tatsächlich aber durch Betonung der Rolle von Unternehmern und Unternehmen, mit seinem Konzept des «kapitalistischen Geistes» und seiner bis ins italienische Hochmittelalter zurückreichendenPerspektive deutlich über Marx hinausging.[ 4 ] Im Englischen spielte der Begriff «Kapitalismus» spätestens seit den 1890er Jahren eine gewisse Rolle. Die kontroverse Diskussion um ihn schwoll dort aber erst in den Jahren um den Ersten Weltkrieg herum an. In der Encyclopaedia Britannica wurde der Begriff in der 11. Auflage (1910–11) im Artikel über «Capital» kurz erwähnt und in der 12. Auflage von 1922 ausführlich in einem eigenständigen Eintrag behandelt, jetzt als Bezeichnung für ein «System», in dem die Produktionsmittel privaten Eigentümern gehören, die zum Zweck der Produktion Manager und Arbeiter beschäftigen.[ 5 ]
    Insgesamt: Der Begriff entstand aus dem Geist der Kritik und der Perspektive des Vergleichs. Gewöhnlich verwendete man ihn, um Beobachtungen der eigenen Zeit zu beschreiben, die man in betonter Absetzung von früheren Verhältnissen als neu und modern begriff. Oder man verwendete ihn, um die Gegenwart mit der vorgestellten Idee und dann mit den beobachtbaren Anfängen des Sozialismus zu konfrontieren. Erst im Licht der bisweilen verklärenden Erinnerung an andersartige vergangene Verhältnisse und im Licht der Vorstellungen von einer besseren zukünftigen, nämlich sozialistischen Alternative entstand der Begriff «Kapitalismus», meist im Kontext einer kritischen Sicht auf die damalige Gegenwart. Doch gleichzeitig diente er der wissenschaftlichen Analyse. Diese Doppelfunktion des Begriffs machte ihn den einen suspekt, den anderen umso interessanter. Die beiden Funktionen konnten, aber mussten sich nicht im Weg stehen. Das gilt bis heute.
2. Drei Klassiker: Marx, Weber, Schumpeter
    Zahlreiche Intellektuelle, Sozial- und Kulturwissenschaftler haben im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert den Kapitalismus als
das
bestimmende Epochenmerkmal ihrer Gegenwart begriffen. Zahlreiche Historiker haben den Begriff schon damals benutzt, um die Geschichte des Kapitalismus in früheren Jahrhunderten zu erforschen, in denen der Begriff noch nicht existierte. An der wissenschaftlichen Diskussion über Kapitalismus haben sich deutschsprachige Autoren mehr als englische oder französischebeteiligt. Sie trugen dazu bei, dass sich der Kapitalismusbegriff aus einem politischen Kampf- in einen analytisch anspruchsvollen Systembegriff erweiterte.[ 6 ] Im folgenden sei auf drei Klassiker der Kapitalismus-Diskussion
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