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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus
Autoren: C.H.Beck
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wahrnahm und den sozialen Sprengstoff der sich anstauenden Arbeiterfrage erkannte, den Kapitalismus in einer Weise, dass er in voller Ausprägung erst als
Industriekapitalismus
in Erscheinung trat, mit der «großen Industrie» und massenhafter Lohnarbeit im Zentrum. Die Existenz von älteren Varianten des Kapitalismus vor der Industrialisierung leugnete Marx nicht, doch er untersuchte sie nicht. Er war am Kapitalismus in seiner modernen, industriewirtschaftlichen Ausprägung und an seiner Entstehung (in England seit dem 16. Jahrhundert) interessiert.
    Die Kritik an der Marxschen Konzeption ist Legion. Mit guten Gründen hat man ihr vorgeworfen, die zivilisierende Wirkung der Märkte unter-, Arbeit als einzige Quelle neu geschaffener Werte dagegen überschätzt zu haben. Kritisiert wurden Marxens mangelnde Aufmerksamkeit für die Bedeutung von Wissen und Organisation als Quellen von Produktivität, seine fehlgehenden Prognosen der sozialen Folgen des Industriekapitalismus und sein geradezu alteuropäisch anmutendes Misstrauen gegenüber Markt, Tausch und Eigeninteresse. Dennoch bleibt die Marxsche Analyse ein origineller, faszinierender und grundlegender Entwurf, auf den sich die meisten späteren Interpreten des Kapitalismus bis heute, und sei es kritisch, beziehen.[ 7 ]
    Max Weber
behandelte das Thema Kapitalismus im Kontext einer umfassenden Geschichte der okzidentalen Modernisierung. Vor diesem Hintergrund löste er den Begriff aus der Fixierung auf das Industriezeitalter. Anders als Marx erwartete er nicht, dass der Kapitalismus an seinen Krisen untergehen werde, vielmehr befürchtete er die Gefahr der Erstarrung seiner Dynamik aufgrund von allzu viel Organisation und Bürokratisierung. An die Überlegenheit eines künftigen sozialistischen Systemsglaubte er nicht. Seine Analyse griff thematisch weiter aus und reichte historisch weiter zurück als die von Marx.
    Scharf arbeitete Weber die Eigenarten des kapitalistischen Wirtschaftshandelns mit seiner Orientierung am Tausch und an Marktpreisen heraus, die er als Ergebnis von Marktkämpfen und -kompromissen verstand. Er betonte die «formale rechnungsmäßige Rationalität» des kapitalistischen Wirtschaftens. Diese sah er vor allem durch die Struktur des kapitalistischen Unternehmens gewährleistet, dessen Trennung vom Haushalt der Wirtschaftssubjekte, systematisch-zweckrationale Organisation als Herrschaftsverband und langfristige Rentabilitätsorientierung er betonte. Zur systematisch zweckrationalen Organisation des Unternehmens rechnete er Arbeitsteilung und Arbeitsverbindung, formell freie Arbeit von Arbeitern ohne Produktionsmittelbesitz und deren Unterordnung unter die Betriebsdisziplin, d.h. unter die Anordnungsbefugnisse der letztlich durch Kapitalbesitz legitimierten Unternehmer und Manager. Er arbeitete heraus, dass die effektive Leitung eines kapitalistischen Unternehmens einerseits Geld-, Kredit- und Kapitalmärkte voraussetzte. Andererseits hielt er eine spezifische Wirtschaftsgesinnung für unabdingbar. Diese war nach seinem Urteil gerade nicht mit schrankenloser Erwerbsgier gleichzusetzen, sondern verlangte deren «rationale Temperierung», und zwar als langfristig kalkulierte Bereitschaft zur Investition und Reinvestition mit dem Ziel des langfristigen Unternehmenserfolges als solchen. Eine wichtige Quelle dieses «Geistes des Kapitalismus» sah Weber in der calvinistisch-puritanischen Ethik seit dem 16. Jahrhundert (im Gegensatz zu Werner Sombart, der für die Entstehung dieser Wirtschaftsgesinnung die Rolle der Juden seit dem Mittelalter betonte).
    Weber hat theoretisch und historisch herausgearbeitet, dass der so verstandene Kapitalismus eine gewisse Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Wirklichkeit und dabei die relative Autonomie des Teilsystems «Wirtschaft» vor allem gegenüber der Politik voraussetzt: eine Autonomie, die sich in Vertrags-, Arbeitsmarkt-, Gütermarkt- und Unternehmungsfreiheit konkretisiere. Anderseits hat er überzeugend gezeigt, wie sehr der Aufstieg des Kapitalismus über die Jahrhunderte von außerökonomischenFaktoren abhing: vor allem von Politik und Recht, von den Staaten, ihren Kriegen und ihrem Finanzbedarf. Und er war von der riesigen «Kulturbedeutung» des Kapitalismus überzeugt, der seine Dynamik und seine Prinzipien auch in vielen nicht-ökonomischen Lebensbereichen zur Geltung bringe. Er wusste, dass
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