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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus
Autoren: C.H.Beck
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Oberitalien im Spätmittelalter über die Niederlande in der Frühen Neuzeit und England seit dem18. Jahrhundert in die USA (20. Jahrhundert) und, vielleicht, demnächst nach China – nachging.[ 15 ] Mit der in den letzten beiden Jahrzehnten stattfindenden Öffnung der Geschichtswissenschaft hin zur Globalgeschichte wird Kapitalismus verstärkt als globalgeschichtliches Phänomen thematisiert.[ 16 ] Die Frage nach der räumlichen Erstreckung der kapitalistischen Expansion und den transregionalen Verflechtungen gewinnt damit an Aufmerksamkeit. Neue Fragen geraten auf die Tagesordnung oder alte werden neu formuliert, wie die nach dem Ort des Westens in der Geschichte des Kapitalismus. Die meist europäisch-nordamerikanisch geprägten Definitionen von «Kapitalismus» können sich damit langfristig ändern. Aber deutlich ist auch: So sehr der Begriff und die Theorien des Kapitalismus der Herkunft nach Produkte westlicher Erfahrungen und Forschungen sind, so wenig sind sie in ihrem Geltungsanspruch und in Bezug auf ihre analytische Kraft auf den Westen beschränkt. Vielmehr laden sie zu transnationalen und globalgeschichtlichen Erkundungen ein.
    Auf der Basis dieser begriffs- und theoriegeschichtlichen Befunde und nach Durchsicht jüngerer Definitionsvorschläge[ 17 ] wird den weiteren Ausführungen folgende Umschreibung von «Kapitalismus» zugrunde gelegt.[ 18 ]
    Erstens
beruht Kapitalismus auf individuellen Eigentumsrechten und dezentralen Entscheidungen. Diese Entscheidungen führen zu Resultaten, sowohl Gewinnen als auch Verlusten, die Individuen zugeschrieben werden. Mit «Individuen» sind nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Gruppen, Firmen oder Firmenzusammenschlüsse gemeint.
    Zweitens
findet im Kapitalismus die Koordinierung der verschiedenen wirtschaftlichen Akteure vor allem über Märkte und Preise, durch Wettbewerb und Zusammenarbeit, über Nachfrage und Angebot, durch Verkauf und Kauf von Waren statt. Das «zur Ware werden», die Kommodifizierung von Ressourcen, Produkten, Funktionen und Chancen ist zentral. Es setzt Arbeitsteilung und Geldwirtschaft voraus.
    Drittens
ist Kapital grundlegend für diese Art des Wirtschaftens.Das impliziert die Investition und Reinvestition von Ersparnissen und Erträgen
in der Gegenwart
im Streben nach Vorteilen
in der Zukunft.
Dazu gehören die Gewährung und die Aufnahme von Krediten, die Akzeptanz von Profit als Maßstab sowie die Akkumulation mit den Perspektiven Wandel, Wachstum und dynamische Expansion. Dazu gehören der Umgang mit Unsicherheit und Risiko sowie die Kontrolle der Rentabilität im Zeitverlauf.
    Ich sehe davon ab, die Existenz einer Unternehmung/eines Unternehmens als weiteres Definitionsmerkmal von Kapitalismus hinzuzufügen, um nicht frühe und wenig formalisierte Varianten definitorisch auszuschließen. Aber die Tendenz zur Herausbildung von Unternehmen als kapitalistischen Entscheidungs-, Handlungs- und Zurechnungseinheiten ist stark. Wenn sie entstehen, beruht ihr Durchsetzungsanspruch auf «privaten» (im Sinn von nicht-staatlichen, nicht-kommunalen, nicht-kollektiven) Eigentums- und Verfügungsrechten. Sie besitzen Selbständigkeit gegenüber dem Staat und sonstigen sozialen Institutionen, aber auch gegenüber den Haushalten der Wirtschaftsakteure. Innerhalb ihrer selbst sind Unternehmen primär hierarchisch strukturiert. Das Unternehmen ist der Raum, in dem Kapital und Arbeit, d.h. kapitalistisch legitimierte, Arbeitskräfte beschäftigende Unternehmer einerseits, abhängig Beschäftigte, nämlich Arbeiter und Angestellte ohne Kapital- und Produktionsmittelbesitz andererseits, interagieren, und zwar die Arbeiter typischerweise als Lohnarbeiter auf vertraglicher Basis, d.h. ohne sonstige rechtliche Bindungen und in diesem Sinn frei. Die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Beschäftigern und Beschäftigten ist einerseits eine Tauschbeziehung nach Marktprinzipien, andererseits ein asymmetrisches Herrschaftsverhältnis – mit vielfältigen sozialen Voraussetzungen und Folgen.
    Die gewählte Definition erlaubt es, auch kapitalistischen Erscheinungen nachzugehen, die lediglich Minderheitsphänomene in nicht-kapitalistischen Umgebungen darstellen.
    Um von einer «kapitalistischen Wirtschaft» oder einem «kapitalistischen System» sprechen zu können, müssen kapitalistischePrinzipien eine gewisse
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