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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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friedlicher Koexistenz auf dem Tisch lagen, die schluchzende Jeanette, deren Tränenstrom nur langsam versiegte.
    Marcel Tornerre läutete Sturm. Dieses Mittel aus alten Zeiten hatte sich auf dem Land in der Provence noch erhalten. Die Leute liefen aus den Häusern und fragten einander aufgeregt, was passiert sei. Bonnet sagte es jedem, der ihm in die Nähe kam. Im Nu floß dadurch ein rascher Nachrichtenstrom durch den ganzen Ort. Dann nahm ein erfahrener, älterer Gendarm die Sache in die Hand und organisierte die systematische Suche.
    Der alte Küster hörte nicht auf zu läuten. Längst hatte er mit seiner Glocke den letzten Bewohner aufgeschreckt, und es wäre deshalb nicht mehr notwendig gewesen, das Geläut fortzusetzen. Tornerre dachte aber an André. Dessen Ohr zu erreichen, war sein Ziel, nicht endenwollend, damit der Ruf der Glocke, von dem der Junge wußte, daß er nur von seinem Vater kommen konnte, ihn davon abhielt, das Wahnsinnige zu tun.
    Doch es erlahmten die Kräfte des Alten. Zur physischen Strapaze kam das Entsetzliche hinzu, das psychisch an ihm zehrte. Tornerre spürte die aufkommende Ohnmacht, die Herzschwäche, und er wehrte sich dagegen. Zuletzt erlag er ihr dennoch. Er wurde ihm schwarz vor den Augen, und er sank besinnungslos am Seil nieder. Das erschöpfte Gesicht fiel in den dicken Staub, der in Wolken aufwallte und den hingestreckten Körper mit einem grauen Tuch bedeckte. Verlassen pendelte das Seil über dem regungslosen Körper.
    Die plötzliche Stille brachte Bewegung in die einsame Gestalt, die am Altar der Kirche kniete. Abbé Bayons, dessen Beitrag zur Suche in einem inbrünstigen Gebet bestand, erhob sich und eilte zum Glockenturm, um sich um seinen Küster zu kümmern.
    In der guten Stube der Familie Tornerre saß Jeanette Tergnier, ein gebrochenes junges Mädchen, das nicht einmal mehr die Kraft hatte, noch länger zu weinen.
    »Lieber Gott«, flüsterte sie. »bewahre ihn mir. Ich gelobe eine Wallfahrt nach Lourdes.«
    Dann las sie noch einmal Andrés Gedicht.
    ROMANTISCHE PARABEL
    Einsam wächst auf einer Heide
eine Blume in den Wind
und von grenzenloser Weite
Schwermut in die Kelche rinnt.
    Aus dem Flüstern in den Gräsern,
aus dem Licht, das Gott erkor,
aus des Mondes bleichem Lachen
quillt die Einsamkeit empor.
    Jede Freude dieser Erde
teilt sie nicht, greift sie allein,
jedes Rauschen heißer Winde
wird zum Schmerz des Einsamsein.
    Und des Frühlings buntes Jauchzen,
süßer Farbrausch der Natur,
paart die Freude mit der Trauer
und erweckt ein Ahnen nur.
    Einsam, einsam ist dies Leben,
Fluch vielleicht – vielleicht auch Glück;
doch die Sehnsucht bleibt im Leben
und begehrt den Weg zurück.
    Eines Morgens, taubehangen,
sprießt aus hartem Mutterschoß
eine zweite Blüte lockend
in dem weichen Heidemoos.
    Ist es Wahrheit? Träum ich nicht mehr?
Schwester in der Einsamkeit
blühst zum Licht an meiner Seite,
und die Welt ist nun zu zweit?
    Sieh der Sonnenstrahlen Tanzen,
hör den Wind, er singt vom Glück,
sieh der Hügel sanfte Wellen,
blick zum Busch am Bach zurück.
    Weißt du, daß in seinen Zweigen
Tränen, Küsse, Wünsche blühn?
Ahnst du, daß am Rand des Baches
heiße Leiber nachts erglühn?
    Hörst du, was ich zu dir flüstre?
Dort, am Rain, sah ich ein Paar
eng umschlungen selig träumen,
heute war's, vor einem Jahr.
    Und die Nächte wurden heißer,
und die Winde wurden schwer,
in den Pulsen wuchs die Sehnsucht,
und die Stuben wurden leer.
    Alle Gräser, die du ansiehst,
wissen, was die Liebe ist,
und der Mond, du wirst ihn sehen,
küßt dich, bis du trunken bist.
    Aber du? Empfängst du gar nicht
von dem Glück auch Glück für dich?
Selten, sprach der Schwermut Schwester,
nur der Wind liebkoste mich.
    Da umschlang des Frühlings Botin
tröstend, mild die Einsamkeit:
Wie du sagst, als ich geboren,
nun ist diese Welt zu zweit.
    Sieh der Sonnenstrahlen Tanzen,
ihre Reigen sind für dich;
hör der Winde glückhaft Singen,
sie vereinen dich und mich.
    Blick zum Busch am Rand des Baches,
in den Zweigen Wünsche blühn.
Unsre Wünsche, unsre Liebe
soll'n im Moos des Haines glühn.
    Und die heißen Sommernächte,
deren Schatten Küsse sind,
werden Kelch' des höchsten Glückes,
dessen Feuer uns durchrinnt.
    Alle Gräser, die du ansiehst,
wissen, was die Liebe ist,
und sie schützen deine Küsse,
bis du trunken müde bist.
    Glaubst du, daß die Welt voll Sonne?
Blick empor, dort glüht der Schein,
und im Angesicht der Freiheit
sieh: ich bin unendlich dein!
    Eng
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