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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schluckte, aber er nickte wieder.
    »Im Punkt fünf verpflichten Sie sich, als Beweisstück dafür Ihr Wandschränkchen dort an mich abzutreten. Ich hoffe ja nicht, je darauf zurückgreifen zu müssen, aber ich will es haben zur Sicherheit.«
    »Einverstanden.«
    »Dafür verpflichte ich mich, Ihnen einen Betrag von eintausend Franc auszuhändigen.«
    »Eintausend Franc!« riefen Marcel und Yvonne Tornerre wie aus einem Munde, und Marcel allein setzte hinzu: »Eintausend Franc für dieses alte Ding, das ist zuviel, Sie müssen sich versprochen haben.«
    »Ich habe mich nicht versprochen«, entgegnete Bonnet mit einem Gesicht, aus dem alles und nichts herauszulesen war. »Und nun zum wichtigsten Punkt überhaupt, er gilt für beide Parteien gleichermaßen: Wir verpflichten uns zu absolutem Stillschweigen über alles Dritten gegenüber.«
    »In unserem beiderseitigem Interesse«, nickte Tornerre.
    »Dazu muß sich auch Ihre Frau verpflichten.«
    »Selbstverständlich.«
    »Und Ihr Sohn André.«
    »Natürlich.«
    »Kommt er denn nicht bald?« fragte Bonnet, auf die Uhr blickend.
    Draußen wurde die Haustür aufgestoßen, ein eiliger Schritt durchquerte den Flur.
    »Das wird er sein«, meinte Mutter Tornerre und blickte lächelnd ihrem Sohn entgegen, dessen Erscheinen sie erwartete.
    Die Tür des Zimmers wurde aufgestoßen. Mit fliegendem Atem, nur notdürftig bekleidet, mit angststarren Augen und gebadet in Schweiß, stand Jeanette auf der Schwelle und lehnte sich erschöpft an den Türrahmen. In der rechten Hand hielt sie einige Blätter Papier.
    »Wo ist André?« keuchte sie. »Nicht hier? Um Gottes willen, wo ist er?«
    Sie taumelte ins Zimmer und wurde von Marcel Tornerre, der aufgesprungen war, aufgefangen. Er geleitete sie zum Sofa.
    »André?«
    Der Küster wechselte einen angstvollen Blick mit seiner Frau und sah dann wieder Jeanette an. »Wir dachten, er sei bei dir.«
    »Wir waren auf unserem Hügel«, schluchzte nun Jeanette. »Dann schickte er mich nach Hause. Er wollte dort oben die Nacht erwarten, die Sterne grüßen. So sagte er, ihr kennt ihn ja.«
    Daß er sie noch einmal – vergeblich – zurückgerufen hatte, erwähnte sie nicht.
    »Wann war das?« fragte Mutter Tornerre mit tonloser Stimme.
    »Bei Einbruch der Dunkelheit. Und vorhin – ich schlief schon – wachte ich plötzlich auf, als ein Stein in mein Zimmer geworfen wurde, der in diese Blätter hier gewickelt war. Auf ihnen steht ein Gedicht geschrieben, ein schönes, schreckliches Gedicht.« Jeanette schluchzte laut auf, vergrub das Gesicht in ihren Händen und fuhr plötzlich wieder hoch. »Rettet ihn! Rettet ihn … sucht ihn … sofort … etwas Furchtbares geschieht … etwas Grauenvolles … André … rettet ihn … sofort … sofort!«
    Ihre Worte erstarben zu einem Wimmern, der Körper sank schlaff zusammen und fiel der Länge nach auf das Sofa. Von Weinkrämpfen geschüttelt, lag sie da, unfähig, noch einmal ein klares Wort hervorzubringen.
    Julien Bonnet, der nicht dem Banne des Entsetzens erlag, nahm ihr die Papiere aus den Händen. Andrés alte Eltern sahen wie gelähmt zu und waren unfähig, etwas zu unternehmen.
    »Großer Gott!« Bonnet ließ die Blätter, die er überflogen hatte, auf den Tisch fallen. »Madame, Monsieur, Ihr Sohn … er ist wahnsinnig … dieses Gedicht … wann mag er es geschrieben haben …?«
    »Was ist mit ihm?« fiel ihm Vater Tornerre ins Wort.
    »Er … er stirbt.«
    »Nein!« schrien entsetzt beide – Marcel und Yvonne Tornerre – auf.
    »Wir müssen ihn suchen«, sprudelte Bonnet hervor. »Wir müssen die Stadt alarmieren – läuten Sie die Sturmglocken, Tornerre, er kann noch nicht weit sein. Er will sich das Leben nehmen, will eine Schuld sühnen, die gar nicht mehr auf seinen Schultern lastet. Läuten Sie, Tornerre, bringen Sie die Bevölkerung auf die Beine, damit ihn alle suchen helfen. Ich werde den Leuten Bescheid sagen.«
    »André!« schrie der Alte und stürzte davon, gefolgt von Bonnet, der über die Schulter der Frau des Küsters zurief: »Sie bleiben hier, Madame! Passen Sie auf die Lieder auf! Sperren Sie sie weg!«
    Daran war natürlich überhaupt nicht zu denken. In diesen Augenblicken hätten die Mutter Andrés alle Kulturschätze Frankreichs oder der ganzen Welt nicht im geringsten interessiert. So rasch es ihr die alten Beine erlaubten, verließ sie auch das Haus. Zurückblieb jedoch bei den Pergamenten und den Blättern mit Andrés Gedicht, die alle miteinander in
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