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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einfachen Küster lächerlich. Jedenfalls begleiteten diese Blätter Generation um Generation. Sie waren meine stille, erregende Leidenschaft – die einzige. Und André, mein Sohn, ist Blut von meinem Blut. Ohne zu wissen, was ihn dazu trieb, fiel er ein in den Gesang der Troubadoure. Und dafür soll er nun bestraft werden? Monsieur Bonnet, Sie können es verhindern.«
    »Fangen Sie nicht schon wieder damit an! Ich wüßte nicht, wie.«
    »Indem Sie der Öffentlichkeit nicht unseren Sohn als Fälscher präsentieren …«
    »Tornerre, das geht nicht!«
    »… sondern einen anderen.«
    »Das geht nicht!« rief Bonnet noch einmal, ohne dem Küster ganz zugehört zu haben. »Die Fälschungen sind Tatsache, also brauche ich auch einen Fälscher, den ich der Öffentlichkeit präsentiere.«
    »Das sage ich ja, Monsieur Bonnet.«
    »Was sagen Sie?«
    »Daß Sie den Leuten einen Fälscher präsentieren sollen – aber nicht unseren Sohn, sondern einen anderen.«
    »Welchen anderen? Können Sie mir da vielleicht einen aus dem Hut zaubern?«
    »Mich.«
    Julien Bonnet schwieg verblüfft. Er hüllte seinen Kopf in dichte Zigarrenwolken. Dann sagte er: »Wie stellen Sie sich das vor?«
    »Ganz einfach: Es bleibt bei Ihren Anklagen, aber beschuldigt als Täter wird von Ihnen nicht André, sondern das werde ich sein. Sie seien diesbezüglich einem Irrtum zum Opfer gefallen, müssen Sie bekanntgeben.«
    »Und was habe ich davon? Daß Sie als Vater sich für Ihren Sohn opfern wollen, ist ja noch zu verstehen, aber wie komme ich dazu, mich schon wieder vor der Welt zu blamieren, indem ich einen zweiten Irrtum eingestehe?«
    »Sie retten ein Genie, wie Sie selbst sagen.«
    »Und ich mache mich noch unmöglicher, als ich es schon bin.«
    »Wenn schon!«
    Dieser Ausruf, der dem Küster unwillkürlich entfahren war, brachte natürlich ein ziemliches Maß an Geringschätzung zum Ausdruck. Julien Bonnet fühlte sich beleidigt, beleidigt von einer Null, und stieß deshalb barsch hervor: »Nein, ich will nicht! Schluß jetzt, ich will nicht!«
    Marcel Tornerre sah, daß er nun aufs Ganze gehen mußte.
    »Schade«, seufzte er, während er die Pergamente auf dem Tisch zusammenraffte. »Dann hat es wohl auch keinen Zweck mehr, Ihnen konkret das Angebot, von dem ich sprach, zu unterbreiten. Wenigstens bleiben mir dadurch die Lieder erhalten.«
    »Die Lieder?« Durch Julien Bonnet schien ein elektrischer Schlag gegangen zu sein. »Welche Lieder?«
    »Die Troubadourlieder hier.«
    Bonnets Hände fingen an zu zittern. Das war am deutlichsten an der dünnen, plötzlich kurvig werdenden Rauchsäule, die der Zigarre entstieg, zu sehen.
    »Monsieur Tornerre, wollen Sie damit vielleicht sagen, daß Sie daran dachten, sich von den Liedern etwa … etwa … zu … zu trennen?«
    »Ja.«
    Bonnets Adamsapfel hüpfte auf und ab, so sehr mußte der Professor schlucken.
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    »Und wem wollten Sie, sie geben? Etwa … mir?«
    »Ihnen.«
    Julien Bonnet atmete tief ein und aus, stand auf und ging zum Fenster. Beim Näherkommen war es ihm, als zucke ein Gesicht, das sich von draußen eng an die Scheibe gepreßt hatte, zurück, aber dann schüttelte er den Kopf und schrieb das Bild seinen erregten Nerven zu, denn er fühlte sein Herz bis zum Hals herauf schlagen. Er zappelte schon in der Falle, die ihm gestellt worden war. Am Tisch hatte Marcel Tornerre die alte Mappe wieder zugeschnürt und wollte sie nun zurück zum Wandschränkchen tragen.
    Ihn davon abhaltend, bat ihn Bonnet: »Moment, kann ich sie noch einmal sehen?«
    »Die Lieder?«
    »Ja.«
    Tornerre löste die Verschnürung wieder und öffnete die Mappe. »Bitte.«
    Bonnet konnte sich nicht sattsehen an den Blättern, die für ihn in diesen Minuten das Kostbarste waren, was es auf der ganzen Welt gab. Daß es Originale waren, wollte er nicht mehr bezweifeln. Tornerres absolut logische Einlassung hatte ihn überzeugt.
    »Wissen Sie«, sagte er, »daß diese Pergamente zu ihrer Aufbewahrung eine ganz bestimmte Dauertemperatur brauchen?«
    Tornerre nickte.
    »Und eine ganz bestimmte Luftfeuchtigkeit?«
    Tornerre nickte noch einmal.
    »Und noch einiges?«
    Tornerre nickte zum drittenmal.
    »Waren all diese Dinge bisher gewährleistet?«
    Nun schüttelte Marcel Tornerre den Kopf, was soviel hieß wie: nein.
    »Nicht?« stieß Bonnet hervor, ganz rasch erbleichend. »Wo war die Mappe bisher aufbewahrt? Sagten Sie mir nicht, in diesem Schränkchen dort.«
    »Doch.«
    »Nein!« schrie
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