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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke
Autoren: Robert Musil
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wie hast du es dahin kommen lassen?! Ich will es in wenigen Worten erzählen. Ich besaß vor der Inflation ein Vermögen, das es mir in bescheidener Weise gestattete, meiner Nation als Dichter zu dienen. Denn die Nation selbst gestattete mir das nicht in der Weise, daß sie meine Bücher gekauft hätte. Sie las sie nicht. Aber einige Tausende oder Zehntausende lasen allerdings meine Bücher, und unter ihnen befanden sich Kritiker und Laien, die mich in den Ruf brachten, den ich besitze. Dieser wunderliche Ruf! Er ist stark, aber nicht laut. Ich bin oft gezwungen worden, über ihn nachzudenken: er ist das paradoxeste Beispiel von Dasein und Nichtdasein einer Erscheinung. Er ist nicht der große Ruf, den Schriftsteller genießen, in denen sich der Durchschnitt (wenn auch verfeinert) spiegelt, es ist nicht der Spezialistenruf der literarischen Konventikelgröße. Ich wage von meinem Ruf (nicht von mir) zu behaupten, daß er der eines großen Dichters ist, der kleine Auflagen hat. Es fehlt ihm das soziale Gewicht. Es fehlen ihm die vielen, die von der Möglichkeit eines Betriebs angezogen werden.
    Ich habe im ersten Band des Mann ohne Eigenschaften den Satz geschrieben (und wegen seiner Unflätigkeit dann wieder gestrichen, aber heute ...): Man wird erst groß, wenn man die Anziehung auf die Menschen hat, ihren Namen mit seinem zu verbinden, wie es merkwürdigerweise Aussichtspunkte, Bänke und Abortwände haben.
    Gewisse Mittlerschichten, die anscheinend unentbehrlich sind, haben sich immer von mir ferngehalten. Es fehlen mir die Zehntausende, die bei anderen gerade noch mitkönnen oder mitmüssen.
    [◁]
11
    Vermächtnis [II]
    [Aus einem Nachwort-Entwurf]
    Daß ich inmitten einer Arbeit, die mit diesem Band ja nicht beendet ist, ein Nachwort schreibe und es Vermächtnis nenne, ist kein Zufall, sondern bedeutet die Erwartung, deren Namen ich ihm geben muß. Denn sollte sich nicht etwas Unerwartetes ereignen, so werde ich nicht imstande sein, dieses Werk fertig zu machen. Es scheint, daß sich viele Leute einbilden, ich sei ein unabhängiger Mann, der sich schon lange das Vergnügen macht, von Zeit zu Zeit ein Buch zu schreiben, das den Kennern entweder gefällt oder sie ärgert, keinesfalls aber in weite Kreise dringen, dem Publikum, der Nation bekannt werden und das eine Wirkung tun darf. Das ist ein Irrtum. Ich bin in Wahrheit, schon seit ich den Mann ohne Eigenschaften zu schreiben begonnen habe, so arm, und durch meine Natur auch so aller Möglichkeiten des Gelderwerbs entblößt, daß ich nur von dem Ertrag meiner Bücher lebe, richtiger gesagt, von den Vorschüssen, die mir mein Verleger in der Hoffnung gewährt, daß sich dieser Ertrag vielleicht doch noch heben könne. Während ich den ersten Band schrieb, hat es sich auf diese Weise ... mal ereignet, daß ich mich von heute auf morgen so ganz ohne Mittel befunden habe, daß ich auch nur die nächsten vierzehn Tage nicht überleben konnte und nur durch das Eingreifen Dritter gewöhnlich am dreizehnten Tag gerettet wurde. Wenn meine Bücher also spröde sind und nicht um Gunst werben, so ist das nicht der Hochmut eines, der es nicht nötig hat. Es liegt vielmehr etwas darin, das mir verhängt zu sein scheint, von Verhängnis also, und die Unbill des Lebens, von der ich heute sprechen muß, hängt dadurch aufs engste mit der Arbeit zusammen, die ich auf mich genommen habe.
    Wenn man von sich selbst Rechenschaft gibt, so sind dreißig Jahre wie ein Jahr; die Zusammenhänge des Planens, der Zusammenhang zwischen Plänen und Ausführung bilden ein dichtes Garn in der von Vergeßlichkeit aufgelockerten Zeit. Das Buch, das ich jetzt schreibe, reicht mit seinen Anfängen beinahe, wenn nicht ganz in die Zeit zurück, wo ich mein erstes Buch schrieb. Es hätte mein zweites Buch werden sollen. Ich hatte aber damals das richtige Gefühl, ich könne es noch nicht fertigbringen. Ein Versuch, den ich 2 X machte, die Geschichte dreier Personen zu schreiben, in denen Walter, Clarisse und Ulrich deutlich vorgebildet sind, endete nach einigen hundert Seiten in nichts. Ich war angeregt zu schreiben, wußte aber nicht, wozu ich es tun sollte. Und das geschah mir, nachdem ich bereits Die Verwirrungen des Zöglings Törleß veröffentlicht hatte, also ein Buch, das mich jetzt noch vor zwei Jahren, als ich die Druckbogen einer Neuausgabe durchsehen mußte, durch die Sicherheit, mit der es erzählt ist, mit Genugtuung erfüllt hat, obwohl ich kaum an mich halten konnte, die vielen
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