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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke
Autoren: Robert Musil
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es sogar meistens so gewesen. Der Autor legt sich in Hemdsärmeln in sein Fenster und lächelt auf die Straße hinunter; er ist sicher, daß man freundlich zu seinem beliebten Gesicht aufblicken wird, wenn er ein paar Worte persönlich sagt. Es genügt, wenn ich sage, daß ich viel zu wenig vom Erfolg verwöhnt worden bin, um auf einen solchen Einfall zu kommen. Mein Bedürfnis nach einer Vorrede zeigt kein allzu gutes Verhältnis zum Publikum an, und obgleich ich, wie sich schon zeigt, ausgiebig von der Erlaubnis Gebrauch machen werde, in dieser Vorrede von mir zu reden, hoffe ich nicht von einer Privatperson zu sprechen, sondern von einer öffentlichen Angelegenheit.
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4
    [Gedanken zu einem «Vorwort»]
    Ich widme diesen Roman der deutschen Jugend. Nicht der von heute – geistige Leere nach dem Krieg – ganz amüsante Schwindler —, sondern der, welche in einiger Zeit kommen wird und genau dort wird anfangen müssen, wo wir vor dem Krieg aufgehört haben und dergleichen (darauf beruht auch die Berechtigung, heute einen Vorkriegsroman zu schreiben!!)
    Dieser Roman spielt vor 1914, zu einer Zeit also, welche junge Menschen gar nicht mehr kennen. Und er beschreibt nicht diese Zeit, wie sie wirklich war, so daß man sie daraus kennenlernen könnte. Sondern er beschreibt sie, wie sie sich in einem unmaßgeblichen Menschen spiegelt. Was geht dieser Roman also Menschen von heute an? Warum schreibe ich nicht gleich einen Roman von heute? Das muß begründet werden, so gut es geht.
    Es werden sich Leute darauf ausreden — weil sie auf die Gedanken nicht eingehen wollen –, daß hier ebenso viel Essay wie Roman geboten wird.
    Frage: Weshalb hört der Mensch heute nicht auf Gedanken in der Kunst, während er sonst doch geradezu lächerliches Interesse für «Lehren» hat?
    «Überflüssige», «langschweifige» Erörterungen: das ist ein Vorwurf, den man mir oft gemacht hat, wobei man vielleicht gnädig zugab, daß ich erzählen «könnte». Daß mir diese Erörterungen die Hauptsache sind!
    Ulrich hielt sich für einen Menschen, welcher der Welt eine Botschaft zu bringen hat. Bruchstücke hier vorzufinden. Später urteilt er ––––: Man muß bei Lebzeiten eine gute Wand abgegeben haben und dergleichen, wenn man auch nur posthum wirken will. Er ist nicht bös, läßt bloß ab.
    Das ist nun auch seine Entwicklung im Roman. Er schreibt sein Buch nicht, sondern kommt in alle die Geschichten.
    Der Erzähler gewissermaßen sein Freund.
    Nicht Ulrich als den «wahren-starken» Menschen hinstellen, sondern als eine verloren gegangene wichtige Äußerung.
    Stimmung: Es ist die Tragödie des gescheiteren Menschen (Richtiger: des Menschen, der in Gefühls-Verstandesfragen immer um eine Möglichkeit mehr kennt. Denn schlechtweg gescheiter ist er ja nicht), der immer allein ist, zu allem im Widerspruch, und nichts ändern kann. Alles andere ist logische Konsequenz.
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5
    [Aus einem Notizbuch (1932)]
    Mancher wird fragen: welchen Standpunkt nimmt denn nun der Autor ein und welches ist sein Ergebnis? Ich kann mich nicht ausweisen. Ich nehme das Ding weder allseitig (was unmöglich ist im Roman), noch einseitig; sondern von verschiedenen zusammengehörigen Seiten. Man darf die Unfertigkeit einer Sache aber nicht mit der Skepsis des Autors verwechseln. Ich trage meine Sache vor, wenn ich auch weiß, daß sie nur ein Teil der Wahrheit ist, und ich würde sie ebenso vortragen, wenn ich wüßte, daß sie falsch ist, weil gewisse Irrtümer Stationen der Wahrheit sind. Ich tue in einer bestimmten Aufgabe das Möglichste.
    Dieses Buch hat eine Leidenschaft, die im Gebiet der schönen Literatur heute einigermaßen deplaziert ist, die nach Richtigkeit, Genauigkeit.
    Die Geschichte dieses Romans kommt darauf hinaus, daß die Geschichte, die in ihm erzählt werden sollte, nicht erzählt wird.
    Das Prinzip der Teillösungen, das für meine Aufgabenstellung wichtig ist, auch vorbringen ... Grund vieler Mißverständnisse. Das Publikum bevorzugt Dichter, die aufs Ganze gehn.
    Die Leser sind gewöhnt zu verlangen, daß man ihnen vom Leben erzähle und nicht vom Widerschein des Lebens in den Köpfen der Literatur und der Menschen. Das ist aber mit Sicherheit nur soweit berechtigt, als dieser Widerschein bloß ein verarmter, konventionell gewordener Abzug des Lebens ist. Ich suche ihnen Original zu bieten, sie müssen also auch ihr Vorurteil suspendieren.
    Sich der Unwirklichkeit bemächtigen ist ein Programm, also Hinweis auf Band II,
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