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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke
Autoren: Robert Musil
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innere Direktion. Menschen, die das auf den verschiedenen Linien mitgemacht haben, gehören in den Roman. Auch Vertreter des Georgetypus und so weiter. Außer diesen geistigen Sphären dann noch die beziehungslosen der Wissenschaft und so weiter.
    Der Druck des kommenden wissenschaftlichen, objektiven Zivilisationszeitalters, wo alle Menschen weise und gemäßigt sein werden, lastet schon auf dieser Generation, deren letzte Zuflucht die Sexualität und der Krieg ist.
    Erzählungstechnik Katakombe: Ich erzähle. Dieses Ich ist aber keine fingierte Person, sondern der Romancier. Ein unterrichteter, bitterer, enttäuschter Mensch. Ich. Ich erzähle die Geschichte meines Freundes Ulrich. Aber auch, was mir mit anderen Personen des Romans begegnet ist. Dieses Ich kann nichts erleben und erleidet alles, woraus sich Ulrich befreit und woran er dann doch zugrundegeht. Aber tatlos, unvermögend zu einer klaren Erkenntnis und zu einer Aktivität zu kommen, wie es der diffusen, unübersehbaren Situation von heute entspricht. Mit Reflexion von meinem Standpunkt aus. Wie von einem letzten, weise, bitter und resigniert gewordenen Überlebenden der Katakombe aus erzählt.
    Erzählungstechnik i[st]  a[uch] objektiv, aber wo erwünscht, rücksichtslos subjektiv. Man kann in Schutz nehmen als Mensch, der so etwas zwar nicht selbst täte, aber es ist zweifelhaft, ob mit Recht.
    Aber nicht Zeitroman, synthetischer Zeitaufbau, sondern Konflikt Ulrichs mit Zeit. Nicht synthetisch, sondern durch ihn aufspalten!
    Doch Ich-Form. Kann, wenn sie rein ist, vermutlich nachträglich ohneweiters umgewandelt werden. Nicht Katakombe – sondern Versuche einen andern Menschen zu finden. ––––– Alles nur so weit verfolgen, wie ich es sehe; das ist die innere Berechtigung dieser Form, ich soll nicht Fertigsein heucheln, wo ich es nicht bin. ––––– Stimmung einer Jahrhundertwende (1000, 2000 gar!) Man kann alles so kurz sagen, wie es mich freut. Ich kann die Verführung durch Agathe in allen Phasen schildern und den Rest verschweigen. Ich kann das Verbrechen besser motivieren, weil es natürlicher ist, daß ich mich verteidige, als daß es ein anderer tut. Ich kann alles sagen, was mich interessiert, und warum es das tut.
    Eine fingierte Biographie erzählen. Und zwar so, wie wenn ich die Essays schreiben wollte.
    Die Geschwisterliebe muß sehr verteidigt werden. Als etwas ganz Tiefes mit seiner Ablehnung der Welt Zusammenhängendes empfindet sie Ulrich. Die autistische Komponente seines Wesens schmilzt hier mit der Liebe zusammen. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten von Einheit, die ihm gegeben sind –––––
    Ich hatte keinen Freund (das Verhältnis zu Walter ist sehr wenig freundschaftlich wird der Leser sagen!). Das ist ein Grund für Agathe.
    Darstellungsart: Gedankenbündel, gewöhnlicher Rest – Auftauchen aus der Gewöhnlichkeit, wenn Stichwort, Wellenlänge kommt. Menschen zeigen, wie sie ganz aus Reminiszenzen zusammengesetzt sind, die sich nicht kennen. Menschen wollen, daß andre handeln, wie es ihrer literarisch typisch bestimmten Vorstellung entspricht, ob diese mögen oder nicht. So Klementine Fischel von Leo Fischel, daß er der feine und überlegene Financier sei ––––– Schmeißer, Hagauer, Lindner von Agathe jeder in seiner Art. Rachel vom romantischen Soliman.
    Nicht in Zeitreihe erzählen. Sondern hintereinander, zum Beispiel: ein Mensch denkt a, tut Wochen später das Gleiche, aber denkt b. Oder sieht anders aus. Oder tut das Gleiche in einer anderen Umwelt. Oder denkt das Gleiche, aber es hat eine andere Bedeutung und so weiter. Die Menschen sind Typen, ihre Gedanken, Gefühle sind Typen; nur das Kaleidoskop ändert sich. Dann aber so Zusammengehöriges in continuo erzählen. Vorgreifend. Oder zurück- und nochmals aufgreifend. ––––– Nicht sich schildern, sich immer versetzen. Nicht sich als erkennendes, sondern als erlebendes, erleidendes, sonderbar fühlendes und wollendes Objekt schildern.
    Zeit als unwirklich darstellen. Technik daher holen, daß ich wahrer Zeitschilderung gar nicht fähig bin. (Parallelaktion müßte zum Beispiel an Eucharistischen Kongreß anknüpfen und dergleichen, wovon ich zu wenig weiß. Aus diesem Fehler unbedingt die Technik machen!)
    Schreiben ist eine Verdoppelung der Wirklichkeit. Die Schreibenden haben nicht den Mut, sich für utopische Existenzen zu erklären. Sie nehmen ein Land Utopia an, in dem sie auf ihrem Platz wären; sie nennen es Kultur,
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