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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer
Autoren: Manuel Andrack
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Kölner Dom die schönste Kirche der Welt, der 1. FC Köln der beste Fußballverein der Welt und Kölsch das leckerste Bier. Dass ein, sagen wir mal, Franke, Südbadener oder Sachse sich eher für seine heimischen Gefilde interessiert und begeistert, ist okay. Das soll auch so sein.
    Der Mann mit dem Rucksack ist mein Vater
    |26| Ich bin in Köln geboren. Und das größte zusammenhängende Waldstück Kölns ist der Königsforst, durchzogen von einem dichten Netz von Wanderwegen. Dort wurde ich auch als Kind wandermäßig sozialisiert. In meiner Erinnerung habe ich mit meinen Eltern jedes Wochenende eine Radtour oder eine Wanderung auf Waldschneisen von fünf bis acht Metern Breite durch den Königsforst gemacht. Das waren »Kaffeetanten-Wege«, wo man auf viele ältere Damen und Herren traf, die sich nach der dritten Schwarzwälder Kirschtorte einen kleinen Verdauungsspaziergang gönnten. Heute noch empfinde ich solche Waldautobahnen als Höchststrafe für jeden Wanderer. Sie sind nur im Jogging-Tempo oder auf dem Fahrrad zu ertragen. Zum Wandern sind sie eine Qual, da man schon nach kurzer Zeit ganz stumpf im Kopf wird.
    Als Kind wollte ich »spannende Wege«, das genaue Gegenteil von »Kaffeetanten-Wegen«. Nicht schnurgerade, sondern verschlungen, sodass man nicht genau wusste, was einen hinter der nächsten Kurve erwartete. Ein »spannender Weg« war ein imaginierter Märchenwaldweg, wie bei Hänsel und Gretel, Rotkäppchen und Schneewittchen, wo man sich verlaufen konnte, der Wolf hinter dem nächsten Busch lauerte oder die böse Hexe.
     
    Mit elf Jahren ging ich zur KSJ, der Katholischen Studierenden Jugend, und damit in die Eifel. Auf unterschiedlichen Eifel-Wiesen schlugen wir unsere Zeltlager auf, übernachteten in der Jugendburg Neuerburg an der Grenze zu Luxemburg oder in dem umgebauten Bahnhof von Blankenheim-Mülheim. Bei den damaligen Outdoor-Veranstaltungen wurde aber mehr im Wald |27| rumgesessen als gewandert. Da die ersten Zigaretten und Alkohol im Alter von 14 schlecht in aller Öffentlichkeit vor den Gruppenleitern konsumiert werden konnten, gingen wir in den Wald. Im Schein der Taschenlampe tranken wir mitgebrachten Martini Bianco und rauchten dazu selbst gedrehte Zigaretten der Marke Javaanse Jongens braun. Die Folge war der erste Vollrausch meines Lebens. Und schon der Geruch von Martini Bianco schlägt mich heutzutage noch in die Flucht: frühpubertäres Alkohol-Trauma im Wald.
     
    Seitdem rauchte ich 17 Jahre lang meine 40 bis 50 selbst gedrehten Van-Nelle-Zigaretten am Tag (ich war von Javaanse Jongens auf Van Nelle umgestiegen), bis ich es 1997 satt hatte. Ich war Anfang 30 und schnaufte bei jeder größeren körperlichen Anstrengung wie ein pensionierter Minenarbeiter. Damit sollte Schluss sein. Ohne Nikotin-Stäbchen, die Guru-Bücher von Herrn Carr oder Akupunktur gelang mir der Absprung. Wie bei vielen anderen wurde meine Ersatzdroge das Joggen. Zuerst verschaffte mir das Joggen enorme Erfolgserlebnisse. Tag für Tag wurde ich fitter. Doch mein Körper hielt mit meinem Ehrgeiz nicht Schritt. Ich bekam schnell Knieprobleme. Schwimmen als gelenkschonenden Sport fand ich immer schon öde, und so begann ich zu wandern. Ich war also wieder da angelangt, wo alles angefangen hatte: im Wald.
     
    Die erste Wanderstrecke, die ich im Herbst 1997 ging, führte von der Bahnstation Langerwehe bei Düren nach Vossenack in der Nordeifel. Ohne Wanderkarte folgte ich 25 Kilometer lang der meist guten Markierung des |28| Eifelvereinhauptwanderwegs Nummer 5a durch den Hürtgenwald. Seit ich denken kann, kenne ich den Hürtgenwald aus Erzählungen meiner Mutter. Da gewesen war ich jedoch nie. Und obwohl er so nah ist, kennen auch die meisten Kölner den Hürtgenwald nicht. Dafür aber die Militärhistoriker.
     
    Gegen Ende des Krieges war meine Mutter (Jahrgang 1936) als Kind in Vossenack untergebracht worden. Ihre Tante arbeitete dort als Hauswirtschafterin bei einer begüterten Familie, und als in Köln immer mehr Bombennächte zu überstehen waren, wurde meine Mutter 1942 nach Vossenack geschickt. Nach einer schönen ruhigen Zeit erlebte sie dort die ersten Kämpfe der letzten großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs. Im harten Winter 1944/45 rückten die Amerikaner auf ihrem Weg nach Köln durch einen Eifelwald vor.
    In den engen Schluchten blieben dann alle Panzer und Militärfahrzeuge stecken. Die amerikanischen Truppen wurden ein leichtes Ziel für die auf den Höhen postierten deutschen
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