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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer
Autoren: Manuel Andrack
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Bergführer auf die Nachzügler. Auch auf mich, da ich am Ende des Feldes den Berg hinuntergestolpert kam. Die Drängler hatte er inzwischen von der Leine gelassen. »Du schwitzt aber«, sagte er zu mir, und ich wusste selber nicht, ob ich vor Anstrengung oder Hitze schwitzte. Oder ob es reiner Angstschweiß war. Auf meinen Hinweis, dass es hier schon heftig hinunterging, antwortete er nur lakonisch: »So ist das bei uns in den Bergen.« Recht hatte er und ich musste mir eingestehen, dass ich Berge nicht mochte. Ich bin gern am Meer, mir gefällt die endlose Weite, in den Bergen fühle ich mich beengt. Mit einem Bus einen Berg hinaufzufahren, um dann unter Schmerzen wieder hinunterzugehen, schien mir in diesem Moment völlig sinnentleert.
    Die Morgenwanderung würde ich noch zu Ende gehen, aber keine der noch angebotenen Strecken in den Längen 6, 10 und 25 Kilometer kamen an diesem Tag in Frage. Damit waren auch alle Chancen auf den Titel futsch. Egal! Sollten diese Wanderbestien doch die Weltmeisterschaft unter sich ausmachen. Sollten sie sich doch meinethalben ohne Sinn und Verstand abhetzen. Ich hatte die Schnauze vom Wandern gestrichen voll.
    Im Fußball nennt man mein Los bei dieser Wander-WM das spanische Schicksal. Die Vorrunde der WM mit Bravour überstehen, um dann im Achtelfinale auszuscheiden. Mit viel Vorschusslorbeeren starten und dann traditionell früh rausfliegen. Oder sollte ich mich mit einer schwarzafrikanischen Mannschaft vergleichen, die im Hurrastil ins Achtelfinale stürmt, später aber weder die körperliche |437| Fitness noch die taktische Finesse hat, um ins Finale zu kommen?
    Am Nachmittag traf ich auf einen am Boden zerstörten Graz-Mann. Erst war er den Berg hinuntergestürmt und dann noch zehn Kilometer gegangen. Dann war Schluss gewesen. Er hatte sich kaputtgemacht, konnte keinen Schritt mehr laufen. Immer wieder schüttelte er den Kopf. »Warum bin ich nur vom Hochwurzen hinuntergerannt?« Ich hatte Mitleid und verspürte keine Schadenfreude. Wir hatten uns beide am ersten Tag übernommen. Gleichzeitig spürte ich, wie sich mein Körper bereits erholte. Vielleicht konnte ich am letzten Tag doch wieder mithalten.
    Samstag, 1. Juli, dritter Tag der Wanderweltmeisterschaft
    Heute stand ein Wandermarathon auf dem Programm. Ungefähr 40 Kilometer war ich schon öfter gegangen, ich war auch schon einmal den Köln-Marathon gelaufen, aber |438| das war heute mein erster offizieller Wandermarathon. Ich war pünktlich um sechs Uhr aufgebrochen, um bis zum Zielschluss um 17 Uhr Zeit zu haben. Das erste Drittel der Strecke ging ich entlang der Enns. Nach 15 Kilometern, am zweiten Kontrollpunkt, legte ich eine kurze Rast ein. Ich setzte mich für zehn Minuten hin und aß etwas. Was ein Fehler sein sollte, denn danach fiel mir das Laufen besonders schwer. Meine Rettung war ein steiler Aufstieg über 400 Höhenmeter. Langsam bergan zu steigen, ging eigentlich immer. Hier überholte mich Bikini-Frau. Von ihr hatte ich bereits gehört, sah sie aber nun zum ersten Mal. Sie war um die 60 Jahre alt, klein gewachsen und drahtig, trug Wanderschuhe, eine Sporthose und ein sehr buntes Bikini-Oberteil, in dem ihre Brüste lustig auf und ab wippten. Ein etwas gewöhnungsbedürftiges Outfit. Auf den nächsten zehn Kilometern begegneten wir uns immer wieder, weil sie mal ein Schwätzchen mit Wanderkollegen hielt, dann überdimensionale Pilze aus Pappmaché am Wegesrand fotografierte (hier entlang lief der »Schwammerlweg«). So schaffte ich es trotz meines gemächlichen Tempos sie immer wieder einzuholen. Aber genauso schnell war sie auch schon wieder an mir vorbeigezogen.
    Der Wegweiser in die Wanderhölle
    Die Hälfte der Kontrollstellen auf diesem Wandermarathon war nicht von Mitarbeitern des WM-Büros besetzt, sondern sogenannte Selbstkontrollen. Da war eine Tafel in |440| den Boden gerammt worden und daran hing eine Zange, mit der man seine Startkarte selbst lochen musste. Schummeln konnte man nicht, da jeder Zangenabdruck eine andere Form aufwies.
    |439|
    Denn er wusste nicht, was er tat.
    |440| Kurz nach 15 Uhr kam ich schließlich wieder in Schladming an, nicht ohne Stolz. Ich hatte mich mit Anstand aus dem Turnier verabschiedet.
     
    Am Abend gab es eine zünftige Siegerehrung in der Stadthalle. Die Jaga-Buam, zwei fesche Mannsbilder in Trachten an der Gitarre und dem Akkordeon, spielten Stimmungslieder (zu denen getanzt wurde) und Volksweisen (zu denen nicht getanzt wurde). Ich hörte keinen
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