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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer
Autoren: Manuel Andrack
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mir lachend und winkend Jogging-Frau entgegen. Später traf ich auf Parka-Mann, der nun gehetzt wirkte. Sein Wanderstil hatte etwas Zwanghaftes, ähnlich wie bei Forrest Gump. Dabei hätte er es ruhig angehen lassen können. Ich war es doch, der noch den Auf- und Abstieg zum Wasserfall vor sich hatte. Wie schön wäre es gewesen, an den Riesachfällen eine Pause zu machen. Das Wasser stürzt hier tosend in die Tiefe. Doch der Zielschluss drängte und ich hastete wieder Schladming entgegen. Es waren immerhin noch 15 Kilometer. Von Zeit zu Zeit lief ich nun mit hocherhobenen Armen. Dabei wollte ich nicht schon die Siegerpose üben, sondern meinen Blutkreislauf etwas in Schwung bringen. Meine Finger waren inzwischen angeschwollen, da mir sämtliches Blut in die herabhängenden Gliedmaßen floss. Das war kein Wanderspaß mehr, das war die Wanderhölle. Als ich schließlich steil nach Schladming hinunterging, verfluchte ich auch noch meine Entscheidung, während den ersten Runden die Berge hinunter gelaufen zu sein. Das rächte sich jetzt mit Muskel- und Gelenkschmerzen.
    Sieben Minuten vor Zielschluss kam ich im WM-Büro an. Die letzten Meter wäre ich am liebsten gekrochen.
     
    Genaue Zwischenergebnisse waren an diesem Abend nicht in Erfahrung zu bringen. Ich konnte also nur mutmaßen, an welcher Position im Gesamtklassement ich mich nun befand. Kurz vor dem Ziel hatte mich noch Stöcke-Mann überholt und so ging ich davon aus, dass er und Jogging-Mann heute 55 Kilometer gelaufen waren, während ich insgesamt 54 Kilometer (in acht Stunden!) geschafft hatte. Immerhin: Ich war noch im Rennen um den Titel, vermutlich auf Platz drei, einen Kilometer hinter den beiden Führenden.
     
    |434| Im Drogeriemarkt traf ich Graz- Mann, der genauso viel wie ich gelaufen war. Auch er sah nicht glücklich aus. Ich empfahl ihm Blasenpflaster und kaufte mir ein Entspannungsbad. Normalerweise bin ich kein Badewannentyp, aber ich musste etwas für meine geschundenen Beine tun. Immerhin galt es am nächsten Tag auf der ersten Wanderung eine Höhendifferenz von 1.200 Metern zu überwinden. Und das auch noch bergab. Und nun tat ich etwas, was ich in meinem gesamten Wanderleben kategorisch ausgeschlossen hatte: Ich kaufte mir Wanderstöcke. Ich weiß, ich habe oft darüber gespottet, aber ich wusste, wenn ich überhaupt den morgigen Tag wandermäßig überleben wollte, brauchte ich Stöcke.
    Schon um 20.30 Uhr schlief ich ein und verpasste so den Festzug des Schladminger Blasorchesters von der Brauerei zum Rathausplatz und den Abend mit Captain Klug & den Zwergsteirern.
    Freitag, 30. Juni, zweiter Tag der Wanderweltmeisterschaft
    |435| Die erste Wanderung des Tages war eine Sonnenaufgangswanderung. Um vier Uhr brachte uns ein Bus zum Gipfel. Auf dem Weg zum Bus bemerkte ich, dass ich humpelte. Während ich durch die Dunkelheit schlich, überholten mich mit forschem, frischem Schritt Stöcke-Mann und Graz-Mann. Ich war ein Nichts unter diesen Wandergiganten. Das hatte doch alles keinen Sinn, ich sollte umdrehen und abbrechen, dachte ich. Wenn ich es noch nicht einmal schaffe, bis zum Bus zu gehen, wie sollte ich heute eine Bergwanderung überstehen. Doch schon auf dem Weg zurück ins Hotel wurde es mit jedem Schritt besser. Also machte ich wiederum kehrt. Als Letzter stieg ich in die wartenden Busse. Alle Teilnehmer waren auf eine Wanderung um diese Tageszeit eingestellt und ausgerüstet mit Taschenlampen und Stirnlampen. Einige hatten sogar Fackeln dabei. Doch schon während der Fahrt dämmerte es und zum Start der Wanderung war es schon taghell. Verschämt wurden die Illuminationshilfen weggepackt.
     
    Vom Gipfel des Hochwurzen stiegen wir auf einen weiteren Gipfel, das Rossfeld (1.919 Meter hoch). Als Mittelgebirgsei befand ich mich nun mitten im Hochgebirge. Viele standen an, um sich einen Gipfelstempel für ihr Wanderbuch abzuholen. Ihnen lag nichts am Weltmeistertitel, sie sammelten Gipfel. Auch eine Leidenschaft.
    Je länger es dauerte, desto unruhiger wurden die Favoriten. Jogging-Mann nörgelte in einem fort: »Gemma, Herrschaftszeiten, gemma endlich.« Doch es handelte sich um eine geführte Wanderung und der Bergführer in der roten Jacke entschied, wann es weiterging.
    |436| Ab diesem Zeitpunkt sollte es nur noch bergab gehen. Erst schmale steinige Pfade hinunter, dann über steile Forstwege. Im österreichischen Wanderjargon heißen diese Wege, so habe ich mir sagen lassen, »Knieschnaggler«.
    Auf halber Strecke wartete der
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