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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Autoren: Robert Gernhardt
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du, der du
    Einem Schreihals ins Stammbuch
    O Schäfer, der du da im Wind
    schreist, wo denn deine Schafe sind–:
    Laß das Geschrei! Hör endlich auf!
    Du Narr sitzt doch auf ihnen drauf!
    An einen Arzt
    O du, der du da die Kranken
    heilst und ständig in Gedanken
    deren Schlaftabletten frißt–:
    Ahnst du denn in deinem Schlummer
    etwas vom Patientenkummer,
    der bei Nacht am größten ist?
    An einen nördlichen Nachbarn
    O Däne, der du deinen Deich
    bäuchlings, einer Möwe gleich,
    auf der Dänin runterrauschst–:
    Mußt du dabei immer »Ach« schrein,
    muß denn immer so ein Krach sein,
    wenn du Zärtlichkeiten tauschst?
    An einen pyromanischen Butler
    O Diener, der du dadurch dienst,
    daß du dem Herrn das Bett verminst,
    bedenke bei der Explosion–:
    Wiegt denn die Freude kurzen Krachens
    die Mühsal auf des Saubermachens?
    Sie tut's? Ist gut. Ich schweig ja schon.

Gedichte aus der ›Welt im Spiegel‹ (›WimS‹)
    1971 – 75
    Lass das, Bass!
    »Niemals!« schrie der zweite Baß,
    als er jenen Passus las,
    der besagte, daß für Gold
    er den Alt beschlafen sollt.
    »Alles tu' ich, will's die Pflicht -
    doch dies Weib beschlaf' ich nicht!«
    rief er aus, »Da bin ich eigen!«
    Nun, die Zukunft wird es zeigen,
    ob er Wort hält. Hält er Wort,
    muß er fort von diesem Ort.
    Denn am Staatstheater Bremen
    muß sich auf den Alt bequemen,
    wer an dieser Bühne singt,
    was ihm ja auch Geld einbringt.
    Nichts für ungut, zweiter Baß,
    lies dies durch und merk dir das.

Ein spannender Moment
im Leben von Sultan Selim
    »Mein Sultan!« sprach der Großwesir,
    »wie hältst du's mit den Frauen?«
    »Den Frau'n? Ich mag sie, wenn sie mir
    nicht in die Stiefel schauen.«
    »Nicht in die Stiefel? Ei, sagt an,
    wann schauten sie denn darein?«
    »Nun, eig'ntlich nie, jedoch einmal,
    es war am Golf von Bahrain…«
    »Am Golf von Bahrain? Sprecht, was war?«
    »Da ging ich einmal baden -«
    »Gewiß, und dann?« »Da war ein Weib,
    das dacht', es könnt' mir schaden,
    Indem sie meinen Stiefel griff
    und flugs in ihn -« »Sie schaute?«
    »O nein, die Wachen packten sie.
    Sie starb, bevor es graute.«
    »So sah kein Weib?« »Nein, keine sah.«
    »Gottlob. 's wär auch vermessen!«
    »Bei Gott, das wär's.« »Doch auf den Schreck -«
    »Genau. Folgt mir zum Essen!«

Wenn die Mutter mit dem Sohne
    »Was ist dir Mutter?«
    »Mir ist schlecht!«
    »Ha, Mutter, das geschieht dir recht!
    Seit der Professor Hindemith
    das Wort in jene Rinde schnitt -«
    »Sag welches Wort, mein lieber Sohn?«
    »Na welches wohl? Du weißt ja schon!«
    »Ach ja, ich weiß, ich weiß, ich weiß!«
    »Na also. Bon. Erst baust du Scheiß…«
    »Ja, ja! Ich habe Scheiß gebaut!
    Ich sag's mit Nachdruck, ich sag's laut:
    Daß ich mit dem Gesinde stritt,
    bis der Professor Hindemith
    kopfüber von der Linde glitt
    und eilends in die Pinte ritt -«
    »Halt, Mutter!«
    »Ja, mein Sohn, was ist?«
    »Ach Mutter! Red' nicht so 'nen Mist!«
    »Ich rede Mist? Ich baue Scheiß!«
    »Ja, Mutter, ja! Ich weiß! Ich weiß!«
    »Du weißt?! Doch still! Ich höre Schritte!«
    »Ist's Vater?«
    »Ja! Nun schweige bitte!«
    »Klar, Mutter!«
    »Danke dir, mein Kind!
    Du weißt ja, wie wir Mütter sind…«
    »Ach ja, ich weiß, ich weiß, ich weiß!
    Ihr baut nur Mist!«
    »Nein, Herbert, Scheiß!«

Ein Brief des Walzerkönigs an seinen Geigenbauer
    Mit diesem Brief sei angezeigt:
    Ich hab ein Leben lang gegeigt,
    Ich kann nicht mehr.
    Es geht so sehr bergab mit mir,
    Mir wird schon nach dem 10. Bier
    Die Geige schwer.
    Das macht,
    Das Ding wiegt 100 Pfund,
    Und das hat seinen guten Grund,
    Nun hör mal zu:
    Die Geige ist aus Stahlbeton,
    Der Bogen aus Zement,
    Die Wirbel sind aus Marmorstein,
    Und schuld daran bist du.
    Du hast die Geige so gebaut,
    Du hast mir die Musik versaut,
    So sieht's mal aus.
    Und schaust du noch mal bei mir rein,
    Dann werde ich laut »Pfuscher« schrein.
    Jawohl. Dein Johann Strauß.

Lohengrin '74
    »Du Else!« »Erwin, was soll sein?«
    »Ich glaub', ich dringe in dich ein!«
    »Du Erwin!« »Else, ja, was ist?«
    »Weißt du genau, daß du es bist?«
    Diese Worte lösten in Erwin eine beträchtliche Erschütterung aus. Was? Sie zweifelte daran, daß er in sie eindrang? Wer aber sollte sonst in sie eindringen? Barsch sagte er daher:
    »Ja, ich bin in dich eingedrungen,
    das hätt' ich mir gern ausbedungen.
    Denn dräng' ein andrer in dich ein,
    könnt' ich nicht der Eindringling sein!«
    So hatte es Else ja nun auch wieder
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