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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Autoren: Robert Gernhardt
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nicht gemeint! Und, um Erwins Wut zu dämpfen, flüsterte sie begütigend: »Man wird ja wohl noch mal fragen dürfen!« Doch damit war sie bei Erwin an den Falschen geraten, denn der schrie:
    »Weib, rede nur mit Engelszungen!
    Zur Strafe wird jetzt rausgedrungen!
    Wo ist mein Stock? Wo ist mein Hut?«
    »Ach Erwin!« »Else! Mach es gut!«
    Und ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, ging er. »Nie sollst du mich befragen…«

Gedicht über den Menschen
    (mit Trompetenbegleitung)
    Man hört so oft
    »Der Mensch ist gut«
    (Tuut)
    Jedoch, wenn ich
    die Menschen seh'
    (Tätää)
    dann scheint mir das,
    was ich da sah
    (Traraa)
    das reine Gegenteil
    von »gut«!
    (Tätää… äh…Tuut!)

Die Entdeckung
    Wir haben heut die Frau entdeckt
    und zwar als Sexualobjekt,
    das war in Wanne-Eickel.
    Wir faßten sie sofort ans Knie,
    das, wie wir meinten, danach schrie,
    dann freilich wurd' es heikel.
    Denn plötzlich sprach die Frau: »Ich bin
    ein Mensch wie ihr, mit Herz und Sinn,
    mit Seele und Gefühlen.
    Bin nicht nur Knie, bin nicht nur Brust,
    bin nicht nur da, der Männer Lust
    zu lindern und zu kühlen!«
    Mein Gott – sie hatte ja so recht!
    Was war'n wir lüstern, war'n wir schlecht!
    Wir gingen schwer betroffen.
    Wir schlichen stumm die Straße lang,
    bis wir in einem Bierausschank
    uns hemmungslos besoffen.
    Im Anschluß daran ging es schnell
    ins nächstgelegene Bordell.
    Und da war Polen offen…

Klage des Bettes
    O, o, o, ich armes Bett!
    O, was muß ich leiden
    unter diesen beiden!
    Dies Getümmel, dies Gebalze
    hingen mir schon längst zum Halse
    raus, hätt' ich nur einen,
    doch ich habe leider keinen.
    O, wenn ich nur einen hätt'!
    O, o, o, ich armes Bett!

Gedichte aus Wörtersee
    1981
Sonne und Mond sind mein einziger Verkehr.
Vielleicht noch das Feuer,
vielleicht noch das Meer.
Alfred Mombert
Die Große Menge wird mich nie begreifen,
die Pfeifen.
R. G.
Als Ausnahmen merk dir genau:
der Milchmann, doch die Eierfrau.
Volksmund

I
    Vertraute Laute
    Komm, erstes Wort
    Komm, erstes Wort,
    langersehntes,
    Geschenk du der Götter, die
    den Dichter bedenken mit
    herrlichen alten Weinen
    wie dem von Castiglioncelli
    und mit
    herrlichen ersten Worten
    wie
    »Komm, erstes Wort.«
    Schwanengesang
    Was wollen die Schwäne uns sagen?
    Wir leben und schweben
    wir kreisen und weisen
    wir finden und binden
    wir ketten und retten
    wir halten und walten
    wir schlichten und richten
    wir sind überhaupt ganz tolle Vögel -
    das wollen die Schwäne uns sagen.
    Paris ojaja
    Oja! Auch ich war in Parih
    Oja! Ich sah den Luver
    Oja! Ich hörte an der Sehn
    die Wifdegohle-Rufer
    Oja! Ich kenn' die Tüllerien
    Oja! Das Schöhdepohme
    Oja! Ich ging von Notterdam
    a pjeh zum Plahs Wangdohme
    Oja! Ich war in Sackerköhr
    Oja! Auf dem Mongmatter
    Oja! Ich traf am Mongpahnass
    den Dichter Schang Poll Satter
    Oja! Ich kenne mein Parih.
    Mäh wih!
    Ein Septembernachmittag
in der Heide
    Immer wieder zieht der alte
    Schäfer an der Weidenflöte
    Immer wieder
    Immer wieder hofft er sehnlichst
    endlich einen Ton zu hören
    Immer wieder
    Immer wieder sagt sein Weib ihm
    blasen müsse er, nicht ziehen
    Immer wieder
    Immer wieder winkt der Alte
    kreischend ab und zieht aufs neue
    Immer wieder
    Dringliche Anfrage
    Wer hat ein Alibi für mich?
    Ich brauche eins für morgen,
    da soll ich es um 12 Uhr 10
    der Königin besorgen.
    Die Königin ist klein und rund,
    der König groß und eckig.
    Dem, den sein Mißtraun auch nur streift,
    geht es entsetzlich dreckig.
    Um 12 Uhr 10 bin ich bestellt.
    Ich trau' mich gar nicht, hinzugehn.
    Es sei, ich hätt' ein Alibi.
    Wer sah mich morgen, 12 Uhr 10?
    Doch da ist noch ein Falter
    Ein Couplet
    Und da wirste geborn
    und da fühlste dich klein
    und da ließest du alles am liebsten gleich sein
    und sagtest »Tschüß Alte, tschüß Alter« -
    doch dann sind da die Falter.
    Und denen krabbelste nach,
    denn die sind so schön bunt,
    und…
    Und nu biste schon größer
    und nu liebste schon wen
    und die, die du liebst, will nich mit dir gehn
    und du sagst dir: »Mach Schluß jetzt, Mensch Walter!«
    doch dann ist da der Falter.
    Und dem rennste nach,
    denn der ist so schön bunt,
    und…
    Und denn biste ein Mann
    und denn läuft es nicht so
    und denn biste oft traurig und nur sehr selten froh
    und denn blätterste schon mal im Psalter -
    doch da ist noch ein Falter.
    Und dem gehste nach,
    denn der ist so schön bunt,
    und…
    Und dann wird dein Haar grau
    und dann fühlste dich alt
    und dann
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