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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Autoren: Robert Gernhardt
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Pferch,
    da steht ein Rind, ein weißes.
    Das mag ich nicht.
    Das nächste Mal
    lock' ich es an und beiß' es.
    Brüllt nur, Löwen,
    fletscht die Zähne!
    Faucht nur,
    schüttelt eure Mähne!
    Macht nur weiter so,
    ihr schafft es
    und bekommt was Raubtierhaftes.
    Ach Kronenkranich, plärr nicht so!
    Du bist doch nicht allein im Zoo!

Der Untergang von Halberstadt
    Durch Halberstadt eilt ein Geschrei,
    die Bürgerschaft rennt schnell herbei.
    Was geht da vor?
    Die Wasserwaage ist kaputt,
    und in den Wannen steigt die Flut.
    Wie soll das enden?
    »Ihr lieben Bürger, hört mich an,
    nur eines uns noch retten kann!«
    Wer ist der Redner?
    Des Bürgermeisters Töchterlein,
    kein and'rer kann so lauthals schrei'n.
    Weiß sie die Rettung?
    »Bringt mir ein ausgewachs'nes Kalb
    und fragt mich nicht Wieso? Weshalb?«
    Schon steht es vor ihr.
    »Dies Kalb soll ausgewachsen sein?
    Das ist entschieden viel zu klein!«
    Schon bringt man das nächste.
    »Mein Gott, bald trifft uns unser Los,
    auch dies ist nicht genügend groß.«
    Da kommt schon das dritte.
    Ein Kalb, das in die Wolken reicht
    und dessen Rist die Sterne streicht -
    bringt es die Rettung?
    »Maria, welch ein Riesentier!
    Ich fürchte mich! Nur weg von hier!«
    So schreit die Jungfrau.
    Und schaudernd jagt sie querfeldein
    und alle Bürger hinterdrein.
    Leer ist das Städtchen.
    Das Wasser steigt, das Wasser quillt,
    bald ist die ganze Stadt erfüllt
    von lautem Brausen.
    Die Wasserwaage und den Dom
    ergreift der Fluten wilder Strom,
    um nur zwei Beispiele zu nennen.
    Doch da! Horch auf! Ein Horn erklingt!
    Ein Reiter durch die Wellen springt!
    Was soll denn das schon wieder?
    »Wo bist du, Ilse?« schreit er laut.
    »Wo bist du bleiche, schöne Braut?«
    Ja, wo ist sie?
    Das ist des Reiters letztes Wort,
    ein Wirbelsturm, der reißt ihn fort
    nach Burgdorf an der Iller.
    Von Halberstadt ist nichts zu seh'n.
    Das Wasser fließt, die Winde weh'n -
    ist alles ausgestorben?
    Nein. Aus den Wellen ragt ein Kalb,
    das Aug so weh, das Fell so falb -
    sprich nur, was hast du?
    »Ich trage Schuld an all dem Leid.
    Ich trat die Wasserwaage breit.
    Jetzt will ich sühnen.«
    Und damit schläft es stehend ein,
    trotz Sturmgebraus und Möwenschrei'n
    Wie friedlich es aussieht!
    Wer dieses Lied gedichtet hat?
    Ein Jäger war's aus Halberstadt.
    Doch das nur am Rande.

Gebet
    Lieber Gott, nimm es hin,
    daß ich was Besond'res bin.
    Und gib ruhig einmal zu,
    daß ich klüger bin als du.
    Preise künftig meinen Namen,
    denn sonst setzt es etwas. Amen.

Kurzes Wiedersehn auf dem
Flughafen
    »Mensch Erwin! Lange nicht geseh'n!
    Wie geht's?« »Mein Gott, wie soll's schon geh'n -
    man schlägt sich durch als Aufsichtsrat,
    der auch sein Teil zu tragen hat.«
    »Du Aufsichtsrat? Mach mal 'nen Punkt!
    Ich denke, du bist Forstadjunkt!?«
    »Das war ich, lieber Werner, war ich,
    doch diese Zeiten waren haarig:
    Frühmorgens, wenn die Hähne krähten,
    mußt' ich schon mit den Hasen beten.
    Kaum daß die Zeit zum Frühstück reichte,
    kam drauf der Dachs zur Ohrenbeichte,
    war die vorbei, da war auch schon
    bei Igels heil'ge Kommunion,
    und damit war's noch nicht genug…«
    »Du. Erwin…« »Ja?« »Ich glaub', mein Flug…«
    »Klar, Werner. Tschüss. Ach ja, was macht…«
    »Marie? Die hab' ich durchgebracht.
    Und zwar in – Mensch, ich muß jetzt geh'n!«
    »Tschau, Werner!« »Erwin! Wiederseh'n!«

Die Wetterwendische
    »Du, Heiner…« »Ja?« »Mir fällt grad ein,
    ich wäre gern ein Warzenschwein!«
    »Ein Warzenschwein? Mein liebes Kind -«
    »Nein, Heiner, diese Schweine sind
    für mich der Inbegriff des Schweins:
    Mit sich und mit dem Kosmos eins,
    so streifen sie durch's Unterholz.
    Ihr Herz ist gut, ihr Wesen stolz,
    ihr Auge schaut so klar und rein:
    Ach wär' ich nur -« »Ein Warzenschwein?«
    »Ja, Heiner, ja und nochmals ja!
    Jedoch…« »Jedoch?« »Seit ich mal sah,
    wie diese Tiere wirklich sind,
    voll Warzen und den Kopf voll Grind,
    steht für mich fest, ich wäre lieber…«
    »Kein Warzenschwein?« »O nein. Ein Biber!«

Römische Elegie
    »Hochwürden…« »Ja, mein Kind, was ist?«
    »Ich habe heut den Papst geküßt.«
    »Den Papst?« »Jawohl den Papst aus Rom.
    Wir gingen durch den Petersdom,
    da sprach er seltsam aufgeregt:
    ›Hat dich schon jemand flachgelegt?‹«
    »Sprich weiter, Kind…« »Ich sagte ›Nein‹,
    da schrie der Papst: ›Wer war das Schwein?‹
    Ich sagte: ›Niemand!‹ Darauf er:
    ›Aha… Soso…Ist klar… Ach der!
    Der
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