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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Autoren: Robert Gernhardt
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hat mir grade noch gefehlt…‹«
    »Und dann?« »Dann schwieg er erst gequält…«
    »Und dann, mein Kind?« »Dann sah er starr
    auf meinen Mund, der rötlich war,
    und voller Zähne, wie Ihr wißt…«
    »Und dann?« »Dann hab' ich ihn geküßt…«
    »Du hast den Papst?« »Ich habe ihn.«
    »Und er?« »Hat wie am Spieß geschrien!«
    »Na immerhin. Ein schwacher Trost.«
    »Zum Wohl, Hochwürden!« »Mädel, Prost!«

Warum war Herr Schlegel so Kregel?
    Drei Versuche einer Antwort
    1. Versuch
    Herrn Schlegel war, als ob wer riefe,
    und zwar die Worte »Briefe, Briefe!«
    Worauf er aus der Haustür ging,
    woselbst er einen Brief empfing,
    den er in einem Zug erbrach,
    womit er völlig richtig lag.
    Denn in dem Brief schrieb ihm Herr Fichte:
    »Ich schick' Dir heut noch meine Nichte,
    die sollst Du, mag sie noch so maulen,
    an drei verschied'nen Stellen kraulen.
    Dafür erhältst Du 50 Mark,
    mein guter Freund, ich hoffe stark« -
    In diesem Tonfall ging es weiter,
    das stimmte den Herrn Schlegel heiter.
    2. Versuch
    Herr Schlegel liebte es, sich Zahlen
    und Ziffern auf das Bein zu malen,
    das er dann en passant entblößte,
    was stets ein Streitgespräch auslöste.
    So lobte Goethe diese Sitte,
    im Gegensatz zu Schiller, dritte
    enthielten sich der Stellungnahmen,
    und andre, vorzugsweise Damen,
    betasteten mit flinken Händen
    die Zahlen auf des Dichters Lenden,
    so daß Herr Schlegel Jahr um Jahr
    der Mittelpunkt der Feiern war.
    3. Versuch
    Herr Schlegel kam – aus welchem Grund
    auch immer – einst zum Öresund,
    fand dort sehr schnell ein Bierlokal
    und sprach zu sich: »Na schau'n wir mal,
    ob unser alter Freund Novalis
    nicht ebenfalls in diesem Saal is'!«
    Und richtig! Denn wer stand am Tresen?
    Na, das ist ein Hallo gewesen!
    War das ein Jubeln, das ein Winken,
    ein Schwatzen, Scherzen, Juchzen, Trinken -
    sogar die kühlen Dänen staunten
    beim Anblick dieser Gutgelaunten.

Dreh es, o Seele
    Die Stirn so feucht,
    das Aug so fahl,
    so kenn ich ihn,
    den Grönlandwal.
    Im Nordmeer, da
    ist er zuhaus,
    er kommt nie aus
    dem Wasser raus.
    Und holt man ihn,
    so sagt er knapp:
    »Ihr schaufelt mir
    das trockne Grab.«
    Das Meer ist tief,
    die Welt ist schlecht,
    wie ihr's auch dreht -
    der Wal hat recht.

Ballade vom Gemach
    Am Hof von Jekaterinenburg
    da gab es ein Gemach,
    drin ging der Fürst Trubetzkoy
    seinen Gelüsten nach, juchhei,
    seinen Gelüsten nach.
    Im Zimmer stand ein Spiegel
    und eine kleine Bank,
    darunter saß ein Igel,
    der war zwei Meter lang, bestimmt,
    der war zwei Meter lang.
    Die Wände war'n aus Marmor
    mit kleinen Löchlein drin.
    Und wer die Löchlein prüfte,
    erriet gleich ihren Sinn, auf Ehr,
    erriet gleich ihren Sinn.
    Dann gab es noch ein Becken,
    das weich gepolstert war,
    zu ganz bestimmten Zwecken,
    drin konnt man wunderbar, ihr wißt,
    drin konnt man wunderbar.
    Das allerschärfste aber
    vom ganzen Mobiliar,
    war jener Kandelaber,
    der ganz aus Seife war, o Gott,
    der ganz aus Seife war.
    Das Zimmer war verhangen
    bei Tag und auch bei Nacht,
    damit kein Mensch erspähe
    was drin der Fürst grad macht, versteht,
    was drin der Fürst grad macht.
    Das reizte ein Freifräulein,
    ein unerfahren Ding,
    das wollte gerne wissen,
    was da wohl vor sich ging, mon dieu,
    was da wohl vor sich ging.
    Beim Ball, da stahl sie listig
    des Fürsten Schlüsselbund
    und lief damit zum Zimmer
    noch in derselben Stund, so war's,
    noch in derselben Stund.
    Der Fürst, nur wenig später,
    entdeckte den Verlust,
    und wer dahinter steckte,
    hat er sogleich gewußt, sofort,
    hat er sogleich gewußt.
    So eilig wie er konnte
    lief er zu dem Gemach,
    wo grade jenes Fräulein
    das gold'ne Schloß erbrach, begreift!
    das gold'ne Schloß erbrach.
    »Mein Fräulein, Ihr wollt wissen,
    was mag im Zimmer sein?«
    sprach er mit falschem Lächeln,
    »So tretet doch herein, mein Kind,
    so tretet doch herein!«
    Nichts half dem armen Mädchen,
    sie mußte ins Gemach.
    Und zitternd vor Erregung
    schritt rasch der Fürst ihr nach, potzblitz,
    schritt rasch der Fürst ihr nach.
    Erst morgens in der Frühe
    ließ er sie wieder geh'n
    sie tat es nur mit Mühe,
    sie konnte kaum noch steh'n, wie das?
    sie konnte kaum noch steh'n.
    Die Schultern voller Seife,
    den Hals so seltsam krumm,
    den Rücken voller Stacheln,
    so schleppte sie sich stumm ins Bett,
    so schleppte sie sich stumm.
    Doch wer sie einmal fragte
    »Wie war's?«, dann schwieg sie matt,
    nur's Strahlen ihrer Augen
    verriet, wie's ihr gefallen,
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