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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition)
Autoren: Harald Gilbers
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war. Bestimmt war er längst ausgeflogen. Oppenheimer atmete tief durch und bereitete sich innerlich darauf vor, dies herauszufinden.
    Lüttke gesellte sich zu ihm. »Nehmen Sie das«, sagte er und drückte Oppenheimer eine Schusswaffe in die Hand. »Eine Leihgabe, bis alles vorüber ist. Wollen Sie auch die Taschenlampe?«
    »Besser nicht. Sie könnte mich verraten. Ich versuche, mich in der Dunkelheit anzuschleichen. Wenn er in seinem Versteck ist, kann ich ihn mit etwas Glück überrumpeln. Warten Sie fünf Minuten, und kommen Sie dann mit der Taschenlampe hinterher. Als Verstärkung.«
    Auch Bauer war inzwischen ausgestiegen und nickte kurz. »Viel Glück.«
    Oppenheimer kletterte über den Zaun und versuchte, dem Trampelpfad zu folgen, den er im Scheinwerferlicht kurz gesehen hatte. Leider wurde der Mond von Baumkronen verdeckt. Oppenheimer spähte angestrengt in die Finsternis. Wenn Lutzow auf ihn gewartet hatte und jetzt angreifen würde, war er ihm schutzlos ausgeliefert. Nun ja, fast schutzlos. Oppenheimer entsicherte die Schusswaffe.
    Plötzlich nahm er unter seinem Fuß eine Unebenheit im Boden wahr. Zum Glück hatte er dem Drang widerstanden, das gute Paar Schuhe anzuziehen, das ihm Hilde geschenkt hatte. Seine zerschlissenen Schuhsohlen kamen ihm sehr gelegen, da er mit ihnen jede Unebenheit des Bodens problemlos spüren konnte. Oppenheimer blieb stehen und bückte sich. Ja, es waren Spurrillen eines schweren Wagens. Sehr gut. Nun hatte Oppenheimer eine Orientierungshilfe. Die Reifenspur würde ihn zum Versteck führen. Vorsichtig setzte er sich wieder in Bewegung, um ihr zu folgen.
    Als der Weg einen Bogen machte, entdeckte Oppenheimer zwischen den Bäumen Licht. Dort war es, ein kleines Lagerhaus – Lutzows Versteck. Ein paar Schritte weiter, und er erkannte, dass die Lampe über der Eingangstür hing. Wegen der Luftschutzbestimmungen war das Glas blau getönt.
    Noch einige Meter weiter, und er konnte einen Gegenstand ausmachen. Vor Schreck schnappte Oppenheimer nach Luft, als er erkannte, was dort neben dem Eingang stand. Es war ein Lieferwagen mit Plane. Zieglers Lieferwagen, schoss es ihm durch den Kopf. Das konnte nur bedeuten, dass Lutzow hier sein musste, dass er ein neues Opfer entführt hatte.
    Instinktiv blieb Oppenheimer stehen und blickte sich um. Er wartete ein paar Sekunden, doch niemand tauchte auf. Kein plötzlicher Angriff aus der Dunkelheit, kein Mörder, der auf ihn zusprang.
    Fahrig steckte Oppenheimer seine linke Hand in die Manteltasche, behielt seine Umgebung dabei immer im Blick. Er nahm eine Pervitin-Tablette und steckte sie sich in den Mund, zerkaute und schluckte sie.
    Er überlegte, warum Lutzow wohl die Lampe angelassen hatte. Doch dann erinnerte er sich daran, dass man das Licht vom Feldweg aus sowieso nicht sehen konnte. Lutzow ging also kein großes Risiko ein, wenn er sie brennen ließ.
    Jedenfalls schien sich Lutzow in seinem Lagerhaus sicher zu fühlen. Zu sicher? Rechnete er nicht mit der Möglichkeit, dass es jemand wagen würde, hier einzudringen?
    Normalerweise hätte Oppenheimer das Gebäude erst umrundet, um nach einem Hinterausgang zu suchen. Doch womöglich flehte drinnen gerade in diesem Moment eine Frau um Hilfe. Er hatte keine Wahl, er musste in das Gebäude. Unverzüglich.
    Oppenheimer sammelte sich und schritt auf die Tür zu. Sachte setzte er einen Fuß vor den anderen, stets darauf bedacht, kein Geräusch zu machen. Er drückte die Klinke nach unten. Im Gegensatz zum Gatter war die Tür nicht verschlossen.
    Er schnappte nach Luft, als ihm ein moderiger Geruch entgegenschlug. Vorsichtig spähte er durch den schmalen Türspalt, doch in der Schwärze dahinter konnte er nicht viel erkennen.
    Er gab sich einen Ruck und betrat blitzschnell den Raum, die Pistole im Anschlag. Nur das blaue Licht der Außenlampe erhellte das Innere des Lagerhauses.
    Mit etwas Mühe konnte er einige Konturen erkennen. Er brauchte eine Weile, bis er verstand. Es waren halbhohe Becken für die Pilzzucht. Dicht gedrängt standen sie im ewigen Schatten. Beklommen erkannte Oppenheimer, dass es hier viele Ecken und Winkel gab, die ideal waren, um sich zu verstecken. Und doch schien keine Menschenseele hier zu sein. Von Lutzow und seinem Opfer fehlte jede Spur. In seiner Nähe entdeckte Oppenheimer ein pechschwarzes Quadrat im Boden. Die Öffnung musste in den Keller hinabführen. Blitzschnell wog er die Optionen ab. Es war sehr wahrscheinlich, dass sich Lutzow dort unten versteckte.
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