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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat
Autoren: André Theuriet
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Viertelstunde später unter den Bäumen des Spazierweges dahin.
    Die lange Platanenallee, die einen Arm des Ornain begrenzt, war in tiefen Schatten gehüllt. Ganz im Hintergrund, am Eingang zum Tanzplatz schimmerten bunte Glaslampen wie Glühwürmchen durch das Laub.
    Als die Musik verstummte, vernahm man das silberhelle Plätschern des Wassers zwischen den Baumwurzeln. Gérard fühlte, als er atemlos und glühend an dem rohen Holzsteg ankam, der in die Gartenwirtschaft führte, all seine Kühnheit schwinden. Er wußte nicht, wie er sich in diese Gesellschaft, deren Sitten ihm unbekannt waren, einführen sollte, und begann unentschlossen am Ufer des Flusses hin und her zu irren. Das Orchester spielte einen Walzer. Zwischen den Weißdornhecken hindurch konnte man die Gewinde aus bunten Glaslampen unterscheiden, und sehen, wie sich die Paare langsam in dem lichthellen Kreise drehten. Lautes Gelächter vermischte sich mit den schmeichelnden Klängen der Flöten und den grelleren Tönen der Geigen; von den nahen Blumenbeeten stieg der Duft von Reseda und Clematis empor und machte Gérard vollends ganz trunken. Er eilte über die Brücke, bezahlte mit niedergeschlagenen Augen dem Portier, der in seinem tannenen Häuschen hockte, das Eintrittsgeld und glitt, wie ein verschämter Armer, im dichtesten Schatten der Bäume entlang bis hinter die Reihen der sonntäglich geputzten Mütter und der neugierigen Bürgersfrauen, aus denen die Zuschauer dieses Balls unter freiem Himmel bestanden.
    Kaum hatte er sich ein wenig von seiner Verwirrung erholt, als er unter den Tänzerinnen das unregelmäßige aber hübsche Gesichtchen der kleinen Regina entdeckte. Die Nähterin sah ganz gesetzt aus in ihrem bedruckten Mousselinkleidchen und dem winzigen Hütchen mit roten Bändern, die im Winde flatterten. Sie tanzte mit einem großen, kräftigen Burschen mit starkem blondem Bart und offenem, schalkhaftem Gesicht, der ausgezeichnet walzte und der Löwe des Balles zu sein schien. Er trug einen breitränderigen, weichen Filzhut undeine weite, schwarze Sammetjuppe, über deren Umschläge die Enden eines hochroten Halstuches herabfielen; ein Beinkleid von weißem Tuch, an den Außenseiten mit schwarzen Streifen verziert, vervollständigte diesen nachlässigen und doch gesuchten Anzug, der von den regelrechten Ueberröcken und steifen, hohen Hüten der anderen jungen Leute scharf abstach. Die Gewandtheit, das Feuer und die Sicherheit des Herrn in der schwarzen Sammetjuppe schienen die Bewunderung der Zuschauer zu erregen.
    »Sehen Sie,« sagte eine der Klatschbasen, »die kleine Regina hat gerne hübsche Tänzer; sie geht Herrn Laheyrard nicht von der Seite!«
    »Sie rächt sich am Bruder für die Possen, die ihr die Schwester spielt,« sagte ein häßliches Mädchen, das sitzen geblieben war. »Fräulein Laheyrard hat Regina ihren Liebhaber weggeschnappt.«
    »Was! der kleine Finoël sollte sich's in den Kopf gesetzt haben, die Pariserin zu heiraten?«
    »Er ist immer hinter ihr her, sie zieht ihn überall nach wie ihren Schatten!«
    Der Walzer war zu Ende und Gérard suchte mit laut pochendem Herzen die kleine Regina auf. Da er gesehen hatte, daß die meisten jungen Leute zum Tanzen Handschuhe anzogen, so durchstöberte er seine Taschen, fand aber nur ein Paar schwarze Handschuhe darin. Man gab nicht viel auf Eleganz bei Herrn von Seigneulles und schwarz war dort eine sehr beliebte Farbe. Während Gérard die Trauerfarbe noch kläglich betrachtete und sich überlegte, ob es nicht ratsamer sei, mit bloßen Händen zu tanzen, wurde das Zeichen zum Kontertanz gegeben und plötzlich stand er vor Regina Lecomte.
    »Ah, das ist schön,« rief die Nähterin lustig, »daß Sie Wort halten; geben Sie mir Ihren Arm!«
    Gérard zog schleunigst den trübseligen, schwarzen Handschuh an, und Regina, die an seinem Arm hing, führte ihnsiegbewußt an den bestbeleuchteten Stellen des Tanzplatzes vorbei. Sie zeigte den Zuschauern nicht ungern, daß sie einen hübschen Jungen, der obendrein auch noch der Erbe einer der besten Familien Juvignys war, zum Tänzer hatte. Der junge Mann bemerkte, daß alle Augen auf ihn gerichtet waren und verlor seine Fassung vollends ganz. Einige Tänzer, die ihn kannten und nicht leiden mochten, sahen ihn verächtlich an oder kicherten verstohlen, Gérard fühlte sich unbehaglich und begann schon, seinen leichtsinnigen Streich zu bereuen, als die Musik das Vorspiel begann. In demselben Augenblick trat der lustige Bursche in der
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