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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat
Autoren: André Theuriet
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Sammetjuppe auf die kleine Regina zu und rief halb spöttisch, halb anspruchsvoll: »Wie, Königin meines Herzens, Sie haben Ihr Wort gebrochen und verschwenden Ihre Gunst an einen Fremden!«
    »Ja,« entgegnete sie geziert, »Herr von Seigneulles ist zum erstenmal hier, und man muß die Anfänger ermutigen.«
    »Ich weiß, daß Sie mit Vorliebe erziehen,« erwiderte der junge Mann mit lautem Lachen, nahm seinen Filzhut ab und sagte zu Gérard, der sich errötend auf die Lippen biß: »Ich gratuliere Ihnen, mein Herr.«
    »Schweigen Sie, Ungezogener!« rief Regina wütend; dann wandte sie sich zu ihrem Tänzer und erkundigte sich, ob er schon ein Gegenüber habe. Auf die verneinende Antwort, rief sie den Herrn mit blondem Bart zurück, »Gehen Sie, Taugenichts,« sagte sie, »fordern Sie eine der Damen auf und seien Sie unser Gegenüber!«
    »Zu Ihren Diensten, Gebieterin!« Er verbeugte sich scherzhaft, drehte sich rund um und kam bald mit einer Tänzerin zurück.
    Der Kontertanz begann. Gérard wußte nicht, was er zu Regina sagen sollte, da ihm die Sprache, die man mit dieser Art Mädchen reden muß, vollständig fremd war. Die Unterhaltung stockte und der Sohn des Herrn von Seigneullesfand es nicht halb so schön auf dem Balle, als er es sich geträumt hatte. Er zitterte bei dem Gedanken, er könne beim Tanzen eine Ungeschicklichkeit begehen; zum Glück für ihn wurde der Tanz so nachlässig ausgeführt, daß selbst ein Kind sich hätte wohl dabei fühlen müssen; nach jeder Tour umfaßten die Herren ihre Tänzerinnen und drehten sich mit ihnen im Kreise herum.
    Der » Cavalier seul « war die einzige Schwierigkeit, die sich Gérard bot; er glaubte zu fühlen, daß sich alle Blicke auf ihn richteten, und bewegte sich schüchtern, mit niedergeschlagenen Augen, vorwärts und wußte durchaus nicht, was er mit seinen Armen anfangen sollte. Wie wenig er seiner Aufgabe gewachsen war, wurde Gérard erst ganz klar, als er sein Gegenüber im Sammetrock an der Arbeit sah. Der junge Mann begann mit ein paar tollen Luftsprüngen, zu welchen er die Arme über dem Kopf zusammenschlug, so daß sie sich wie die Fühlhörner eines riesigen Insektes ausnahmen; plötzlich hielt er inne, bewegte sich langsam und ernsthaft vor Gérard hin und her, schleuderte statt eines Grußes seinen Filzhut hinter sich, warf den beiden Tänzerinnen Kußhändchen zu, reichte ihnen die Hand und beschloß das Ganze durch eine zügellose Ronde.
    Gérard war ganz verblüfft. »Wer ist denn dieser junge Herr?« fragte er Regina.
    »Das ist ja Ihr Nachbar, der Sohn des Schulrats. Ah, haha, ich wette, daß Sie seine Schwester, die schöne Helene Laheyrard, besser kennen!«
    »Nein, ich komme von Nancy und kenne hier niemanden mehr.«
    »So werden Sie sie bald kennen lernen,« fuhr die kleine Regina mit boshafter Absichtlichkeit fort, »sie macht wenigstens genug von sich reden. Ach, du lieber Gott! wenn unsereins sich auch nur halb so viel erlauben wollte als diese Pariserin, da gäbe es nicht Steine genug, um uns zu steinigen.«
    »Wirklich! ist sie denn hübsch?«
    »Das ist Geschmacksache,« antwortete Regina verächtlich; »gewisse Leute sind ganz vernarrt in sie, weil sie große Augen hat, die sie weit aufreißt, als ob sie die ganze Welt damit verschlingen wollte, und lange, lockige Haare, die sie über den Rücken herunterhängen läßt. Ich, für meine Person würde nicht den Kopf drehen, um sie anzusehen, aber die Männer sind ja so dumm.«
    Der Schlußgalopp brach die Unterhaltung kurz ab; Gérard, der wieder etwas Sicherheit gewonnen hatte, faßte seine Tänzerin fest um die Taille und stürmte, wie die anderen, wild mit ihr dahin. Diese Art zu tanzen gefiel ihm außerordentlich. Ganz stolz, daß er seine Sache so gut gemacht hatte, wollte er eben aufs neue beginnen, als ihn ein Ausruf, der von der Bank her kam, auf die er Regina geführt hatte, veranlaßte, sich umzudrehen. Eine Nachbarin zeigte der Nähterin eben die fünf Finger von Gérards Handschuh, die sich auf dem weißen Kleiderleibchen schwarz abgedrückt hatten.
    »O, Herr von Seigneulles,« rief das wütende Mädchen, »Sie sind mir ein netter Tänzer! Sehen Sie, wie Sie mein Kleid zugerichtet haben!«
    Der arme Bursche war ganz reumütig und bestürzt und wünschte sich hundert Klafter unter die Erde. Es bildete sich ein Kreis um sie und an boshaften Lachern war kein Mangel. Gérard errötete, murmelte Entschuldigungen und verwickelte sich in seinen Sätzen.
    »Meiner Treu,« sagte
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