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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Lady April
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guten Ton
gehörte. Mr. Hethersett, ein übertriebener Pedant, war mit außerordentlich
gutem Geschmack gesegnet und verfügte nicht nur über eine untadelhafte
Abstammung, sondern auch über ein ansehnliches Vermögen. Er war weder hübsch
noch amüsant, doch seine Kleidung war stets von erstklassiger Eleganz, und er
verstand es, ein Gespann in vollendeter Weise zu lenken; man nahm allgemein
an, er beteilige sich an jedem Unfug in der Stadt; und er hatte so verbindliche
Manieren, daß er zu den beliebtesten Beaux der Bond Street zähle. Die Herren
hielten ihn für einen guten Kameraden; die Damen schätzten ihn aus zwei besonderen
Gründen: erstens stieg das Ansehen jeder Dame, die seine Bewunderung genoß,
und seiner Freundschaft teilhaftig zu werden, bestand nicht nur darin, die
auszeichnende Beachtung eines der hervorragendsten Vertreter der vornehmen
Welt zu besitzen, sondern zweitens darin, sich der stets bereitwilligen Dienste
eines Gentleman zu erfreuen, dessen Gutmütigkeit sprichwörtlich war. Für die
abenteuerlustigeren Damen,
diese kecken Dinger, die ihre Musselinkleider anfeuchteten, damit sie, dicht
anliegend, ihre exquisiten Formen enthüllten, die ihre Zehennägel mit Goldfarbe
bemalten und beständig am Rande ihres gesellschaftlichen Ruins balancierten,
gab es weit attraktivere junge Leute. Die junge Lady Cardross war jedoch kein
Mitglied dieser Schwesternschaft. Während sie natürlich nicht wünschte, so
unmodern zu erscheinen, keine ergebenen Bewunderer zu besitzen, achtete sie
peinlich darauf, die Bewerbungen irgendeines der notorischen Lebemänner,
welche ihr hofierten, nicht zu ermutigen. Auf Mr. Hethersett konnte man stets
zählen, von ihm geduldig auch zur langweiligsten Party der Saison begleitet zu
werden. Und man brauchte auch nie zu befürchten, daß das Aufgeben von
Förmlichkeiten ihn dazu verleiten könnte, seine bevorzugte Stellung zu
mißbrauchen. Er war weder witzig noch gesprächig, doch zeichnete ihn ein
gewisser Scharfsinn aus, seine Verbeugungen waren die Vollkommenheit selbst
und seine Grazie im Ballsaal unvergleichlich. Selbst Letty, welche erklärte,
seine Ideen über Korrektheit seien vorsintflutlich, verachtete seine Begleitung
nicht, wenn sie ins Almack fuhren. Das Almack war natürlich entsetzlich
rückständig, und die stolzen Patronessen trugen die Nasen viel zu hoch; doch
jede Dame, der man den Eintritt in diese geheiligten Räume versagte, mußte sich
als gesellschaftlich ausgestoßen betrachten. Diese Veranstaltungen in Mr.
Hethersetts Begleitung zu besuchen, sicherte einem den Beifall selbst der
strengen Mrs. Drummond Burrell, und es war allgemein bekannt, daß dieser
Umstand einem völlig unscheinbaren Mädchen ein herablassendes Lächeln der
widerlichen Gräfin Lieven eingetragen hatte.
    Nell war
ebenso erstaunt wie entzückt, als sie bei ihrer Ankunft in der King Street
feststellte, daß ihr verworfener, aber sehr geliebter Bruder mit einem
ziemlich häßlichen Mädchen recht ungeschickt einen Boulanger tanzte. Er
erklärte ihr bald darauf, daß er noch nie im Leben so hereingefallen sei. «Ja,
da kannst du wohl staunen!» sagte er, und seine engelsgleichen blauen Augen
sprühten vor Entrüstung.
    Sie konnte
ein Lachen nicht unterdrücken und sagte: «Oh, Dy, was bist du für ein elender
Wicht! Mit mir wolltest du nicht hierherkommen, ja du erklärtest sogar, keine
tausend Pferde brächten dich her.»
    «Es waren
auch keine tausend Pferde», erwiderte er düster. «Sie hätten es nie zuwege
gebracht. Es war die alte Mutter Wenlock! Winkte mir heute vormittag in der
Bond Street, an ihr altmodisches Landaulette heranzutreten, und sagte, ich
müsse unbedingt in der Brook Street dinieren, um ihre Nichte kennenzulernen.
Ich sagte natürlich, ich hätte eine Verabredung mit Freunden, aber ebensogut
hätte ich meinen Atem sparen können. Von allen teuflischen Dingen sind diese
schrecklichen alten Hexen, die mit Mama so innig befreundet sind, am
allerärgsten. Bedenke, Nell, hätte ich gewußt, daß sie die Absicht hat, mich
ins Almack zu schleppen, dann hätte sie sagen können, was sie wollte, ich
hätte mich nicht von der Stelle gerührt. Erstens bin ich kein Tänzer, und zweitens
bekommt man hier nichts zu trinken als Limonade und einen Gerstentrank – von
den beiden ist mir, verdammt noch einmal, sogar noch die Limonade lieber –, und
diese feine Nichte, von der sie schwor, sie sei ein entzückendes Mädchen, ist
die reinste Vogelscheuche!»
    «Das hätten
Sie
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