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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Lady April
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bitteren Betrachtungen hin und dem steigenden
Verdacht, daß alle Wohlmeinenden, die ihn davor gewarnt, Nell zu heiraten,
schließlich doch recht behalten hatten: nichts Gutes konnte aus einer
Verbindung mit einer Irvine kommen. Einer seiner Cousins, Mr. Felix Hethersett,
dieses leuchtende Vorbild des guten Tons, hatte ihm die ganze Sache mit
brutaler Offenheit dargelegt. «Nichts gegen das Mädel selbst zu sagen, lieber
Alter, aber ich mag den Stall nicht, dem sie entstammt», hatte Mr. Hethersett
gesagt.
    Nun, er
selbst hatte den Stall gleichfalls nicht gemocht. Nichts lag seiner Absicht
ferner, als eine Irvine zu heiraten; und nichts schien unwahrscheinlicher als
eine Liebesheirat. Er hatte die Pflicht zu heiraten. Da er jedoch jahrelang
eine äußerst harmonische Verbindung zu einer Dame der vornehmen Gesellschaft
mit leichter Moral und außerordentlichem Taktgefühl unterhalten hatte, lag das
Ereignis, einem Paar blauer Augen und einem schelmischen Grübchen erliegen zu
können, völlig außerhalb seiner Berechnung. Und doch war dieses Ereignis
eingetreten. Er erblickte Nell zum erstenmal in einem Ballsaal und war augenblicklich
fasziniert gewesen. Nicht so sehr durch ihre unleugbare Schönheit als durch
die Süße ihres Gesichtsausdrucks und die Unschuld in ihrem fragenden Blick. Ehe
er sich darüber Rechenschaft gab, was geschehen war, hatte er sein Herz
verloren und jede warnende Überlegung in den Wind geschlagen. Sie entstammte
einer Linie eines verschwenderischen und liederlichen Geschlechts. Als er aber
in ihre Augen sah, wäre er bereit gewesen zu schwören, daß sie, wie durch ein
Wunder, diesem Makel der Irvines entgangen sei.
    Als er sie
heiratete, war sie noch nicht achtzehn Jahre alt gewesen, vierzehn Jahre jünger
als er selbst; und als er sich mit seiner schüchternen Braut allein befand und
sie sich ihm zu entziehen versuchte, erwies er sich ihr gegenüber ungemein
zartfühlend, da er glaubte, durch Zärtlichkeit und Geduld das liebende,
lebensprühende Geschöpf erwecken zu können, das, wie er so sicher war, in
diesem nervösen Kind schlummerte.
    Er hatte
dieses Geschöpf hie und da flüchtig zu erkennen – zumindest glaubte er es –,
jedoch nie ganz für sich zu gewinnen vermocht, und die Angst, sich getäuscht zu
haben, machte sich immer stärker fühlbar. Sie war gehorsam, fügsam, ja fast
unterwürfig; gelegentlich eine bezaubernde, und immer wohlerzogene
Gesellschafterin. Obwohl sie seine Annäherungen nie zurückwies, beschwor sie
sie nie herauf, und kein Anzeichen ließ erkennen, daß sie ohne seine
Gesellschaft nicht völlig glücklich sei. Kaum hatte sie sich am Grosvenor
Square eingerichtet, als sie sich auch schon mit sichtlichem Eifer in alle
fashionablen Vergnügungen stürzte,
ihre junge Schwägerin zur Seite, rasch einen Hofstaat um sich versammelte und
keineswegs zu den Frauen zählte, welche beständig die Begleitung ihres Gatten
forderten. Sie war verschwenderisch. Er hatte heute entdeckt, daß sie, wie ihre
übrige Familie, eine Spielernatur war. Und alle Zuneigung, deren sie fähig war,
schien sie an ihre kleinen Schwestern und den Taugenichts von einem Bruder zu
vergeuden. Viele Leute hatten Cardross zu verstehen gegeben, Nell hätte ihn nur
seines Geldes wegen geheiratet. Er hatte ihnen nicht geglaubt. Jetzt begann er
sich darüber aber doch Gedanken zu machen. Er selbst hatte in ihrem
überstürzten Rückzug aus seiner Bibliothek bloß den Wunsch eines verwöhnten
Kindes gesehen, einem unangenehmen Schulmeister zu entkommen, und hätte sich's
nie träumen lassen, daß sie nur deshalb geflohen war, weil ihre Gefühle sie zu
überwältigen drohten.
    Sie flüchtete
in den Schutz ihres eigenen Appartements und hoffte, da sie ein wenig Zeit
brauchte, um sich zu beruhigen, ihre Kammerfrau dort noch nicht vorzufinden.
Diese Hoffnung erfüllte sich zwar, doch statt dessen fand sie ihre Schwägerin
vor, welche sich damit vergnügte, jene acht – nein, neun! – Hüte allerletzter
Mode zu probieren.
    Das
Appartement der jungen Gräfin bestand aus einem geräumigen Schlafzimmer und
einem anschließenden Raum, der dem Haushalt als ihr Ankleidezimmer bekannt war,
in Wirklichkeit aber viel eher den Charakter eines Boudoirs hatte. Mylord
hatte beide Räume anläßlich seiner Hochzeit umgestalten lassen und bereitete
seiner Braut ein Nestchen in einem breiten Bett, das mit zeltartig gerafften
rosaseidenen Vorhängen verkleidet war, die von Girlanden und Putten gehalten
wurden,
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