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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Lady April
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während Wände und Vorhänge des Ankleidezimmers aus blausilbernem
Brokat bestanden. In diesem etwas frivolen Boudoir, um das sie Nell heftig
beneidete, paradierte die von ihrer Erscheinung ungemein eingenommene Lady
Letitia Merion zwischen den verschiedenen Spiegeln auf und ab, war jedoch
außerstande zu entscheiden, wie der Hut richtig aufgesetzt werden müsse. Sie
begrüßte ihre Schwägerin freudig und rief: «Oh, wie froh ich bin, daß du
kommst. Ich warte schon eine Ewigkeit auf dich. Nell, ich finde diesen Hut
einfach hinreißend, wie soll man ihn aber aufsetzen? So oder so?»
    «Oh, bitte
nicht», bat Nell unwillkürlich, außerstande diesen Anblick zu ertragen, der
soviel zu ihrer eben erfolgten Niederlage beigetragen hatte.
    «Du lieber
Gott, was ist denn los?» fragte Letty.
    «Nichts,
nichts. Ich habe ein wenig Kopfschmerzen, das ist alles.» Sie bemerkte, daß
Letty sie anstarrte, und versuchte zu lächeln. «Bitte, kümmere dich nicht
darum. Es ist nur ... ich bin nur ...» Sie konnte nicht weiter, ihre Stimme
versagte, denn sie vermochte die Tränen nicht mehr zu unterdrücken.
    «Nell!»
Letty warf den hinreißenden Hut achtlos beiseite, lief durch das Zimmer und
schlang ihre Arme um die Schwägerin. «Oh, bitte weine nicht. Ist etwas
Schreckliches passiert?»
    «Nein,
nein. Das heißt – ich war so entsetzlich verschwenderisch.»
    «Und das
ist alles?! Ich nehme an, Giles hat dir eine Strafpredigt gehalten. Aber mach
dir nichts draus, er wird sich schon wieder beruhigen. War er sehr wütend?»
    «O nein,
nur sehr ungehalten. Und es war ja auch wirklich unverzeihlich von mir!» sagte
Nell und trocknete ihre Tränen. «Aber das ist ja nicht das Ärgste. Ich sah mich
gezwungen...» Sie brach errötend ab und fügte hastig hinzu: «Ich kann es dir nicht
sagen. Ich hätte überhaupt nichts sagen sollen ... bitte achte nicht weiter
darauf. Ich war unverantwortlich sorglos, aber ich hoffe, mich von nun an zu
bessern. Hattest du einen besonderen Grund, mich sprechen zu wollen?»
    «Ach nein.
Ich wollte dich bloß fragen, ob ich heute abend deinen Zephirschal tragen darf,
natürlich, nur wenn du ihn nicht selbst trägst – aber wenn du traurig bist,
will ich dich damit nicht auch noch quälen», sagte Letty großmütig.
    «Ja, bitte,
nimm ihn nur. Du kannst ihn übrigens gleich behalten, denn ich bin überzeugt,
ich könnte es nicht über mich bringen, ihn nochmals zu tragen», sagte Nell
traurig.
    «Nicht mehr
tragen – Nell! Sei doch keine solche Gans! Was denn! Du warst doch außer dir
vor Begeisterung, als man ihn dir vorlegte, und er kostete dreißig Guineen ...»
    «Das weiß
ich, aber Giles sah die Rechnung und sagte kein Wort des Tadels ... ich
glaubte, ich müsse im Erdboden versinken.»
    «Ich für
meinen Teil», sagte Letty aufrichtig, «wäre dafür außerordentlich dankbar. Darf
ich ihn tatsächlich behalten? Danke, Nell. Es ist genau das richtige zu meinem
französischen Musselinkleid. Ich hatte schon die Absicht, Giles zu überreden,
mir ganz denselben zu kaufen.»
    «O nein,
bitte, tu das nicht», sagte Nell erschrocken.
    «Nein,
jetzt würde es mir nicht im Traum einfallen, da er wieder einmal übler Laune
ist», stimmte Letty zu. «Ich kenne tatsächlich niemanden, der wegen ein paar
lächerlicher Schulden so widerlich ist. Was ziehst du heute abend an? Du hast
doch nicht vergessen, daß Felix Hethersett uns heute ins Almack begleitet?»
    Nell
seufzte: «Ich wollte, wir müßten nicht gehen.»
    «Ach, wenn
du keine Lust hast, besteht nicht die geringste Veranlassung für dich,
hinzugehen», sagte Letty zuvorkommend. «Du kannst Felix ein Billett in seine
Wohnung schicken, und was mich betrifft, so ist meine Tante Thorne bestimmt
gerne bereit, mich gemeinsam mit meiner Cousine mitzunehmen.»
    Dieses
fröhliche Geplauder trug dazu bei, Nells Gedanken von ihren eigenen Missetaten
abzulenken. Nach seiner Vermählung hatte der Earl sein junges Mündel aus der
Obhut ihrer mütterlichen Tante genommen und in sein
eigenes Haus gebracht. Mrs. Thorne war wohl eine äußerst gutmütige Dame, er
vermochte sich aber mit ihren Ansichten nicht zu befreunden und hatte auch
nicht das Gefühl, daß sie den Wunsch oder die Autorität hatte, seine
leichtsinnige Halbschwester im Zaum zu halten. Er war unangenehm überrascht,
als er entdeckte, wie oberflächlich die Beaufsichtigung gewesen, unter der
Letty aufgewachsen, und wie unpassend viele Ideen waren, die sie in sich
eingesogen hatte. Er war noch weit
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