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Genosse Don Camillo

Genosse Don Camillo

Titel: Genosse Don Camillo
Autoren: Giovannino Guareschi
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Genossin
Nadia.
    An Deck herrschte die
entfesselte Hölle. Vom Himmel wahre Wassergüsse und vom Meer her die wilden
Keulenschläge der Wellen gegen den Schiffsrumpf.
    Und als ob das nicht genügte,
das grausame Heulen des Sturmes und pechschwarze Finsternis!
    Die Schraube drehte sich im
Leeren, und eine Woge riß die beiden Rettungsboote weg.
    Alle starrten zum Kapitän
empor, der sich an das Geländer der Kommandobrücke klammerte. Der Mann fühlte
diese ängstlichen Augen, tat jedoch, als ob er sie nicht bemerkte, und fuhr
fort, auf das stürmische Meer hinaus zu spähen.
    Es schien das Ende zu sein.
Nach wie vielen Minuten, in wie vielen Sekunden würde das Schiffchen vom
Anprall zermalmt werden?
    Eine Welle verkeilte sich unter
das Achterschiff und hob das Heck. Es schien, als müsse der Kahn im Meer
versinken.
    Das Wasser wusch das Deck von
vorn nach hinten. Als es sich verlaufen hatte und das Schiff sich wieder
aufrichtete, sah jedermann sich um und zählte die Genossen.
    Noch waren alle da: Peppone,
die neun »Erkürten«, die Genossin Nadia, der Genosse Oregow, der Kapitän und
die sechs Männer der Besatzung. Indem sie sich verzweifelt an jede mögliche
Stütze klammerten, einer neben dem andern, hatten sie wie durch ein Wunder
diesem ersten schrecklichen Angriff widerstanden. Würden sie auch dem zweiten
widerstehen?
    Das Schiff rutschte auf der
Flanke einer riesengroßen Woge hinunter, tauchte in einen Abgrund und schien
dazu bestimmt zu sein, dort zu verbleiben. Trotzdem kam es wieder nach oben.
    Aber dann ging der Deckel einer
Ladeluke in Trümmer, und das Schiff begann sich mit Wasser zu füllen.
    Da war nichts mehr zu hoffen,
und Peppone neigte sich zu Don Camillo.
    »Ihr! Ihr! Tut etwas, um Gottes
willen !« brüllte er voll Wut und Verzweiflung.
    Don Camillo raffte sich auf.
    »Herr«, sagte er, »ich danke
Euch, daß Ihr mir die Gnade erwiesen habt, als demütiger und treuer Soldat
Gottes .«
    Er vergaß das Meer und den
Sturm und dachte nicht mehr daran, daß er für alle diese Leute, Peppone
ausgenommen, nur der Genosse Tarocci war. Er riß sich die Mütze vom Kopf und
suchte in seinen Rockfalten nach seiner fingierten Füllfeder. Sie war noch da.
Er zog das kleine Kruzifix hervor und hielt es in die Höhe.
    Nun knieten alle, den Kopf
entblößt, vor Don Camillo. Auch die Genossin Nadia, auch der Kapitän und die
sechs Männer der Besatzung.
    Alle, ausgenommen der Genosse
Oregow, der – an die Treppe zur Kommandobrücke
geklammert – auf den Füßen geblieben war und, die
Mütze bis zu den Ohren gezogen, mit aufgerissenen Augen das unglaubliche
Schauspiel bestaunte.
    »Herr«, betete Don Camillo,
»habe Mitleid mit diesen Unglücklichen...«
    Eine Welle ließ das Schiff
krängen, und eine andere verstärkte die Schlagseite.
    » Ego vos absolvo a peccatis vostris, in
nomine Patris et Filii et Spiritus
Sancti .. .«
Er zeichnete ein großes Kreuz in die sturmgepeitschte Luft. Und alle
bekreuzigten sich, und alle küßten das kleine Kruzifix.
    Alle außer dem Genossen Oregow,
der einem Stück Gußeisen glich.
    Ein Wasserberg schlug über dem
Deck zusammen, als wollte er die kleinen Menschen zerquetschen. Aber Gott hatte
es anders beschlossen. Der höllische Tanz ging weiter, doch trafen die Wellen
den Schiffsrumpf nicht mehr mit der früheren Gewalt.
    Sie fanden sich alle aufrecht
stehend wieder und hatten auf einmal das Gefühl, das Schlimmste wäre vorbei.
    Alle hatten gesehen, daß der
Genosse Oregow nicht niedergekniet war und auch die Mütze nicht gelüftet hatte;
aber erst jetzt dachten sie an ihn und sein Verhalten.
    Sie blickten zur Treppe hin,
und der Genosse Oregow war noch dort. Er hatte die Zähne zusammengepreßt und
das, was er nicht mit dem Mund sagte, sagte er mit den Augen.
    Die Genossin Nadia, der Genosse
Kapitän und die Genossen Besatzung bemerkten das bedrohliche Licht, das in
seinen Augen brannte; sie erschauerten. Peppone und die andern jedoch nicht.
Sie waren allzu froh, sich lebend wiedergefunden zu haben, als daß sie sich um
die Drohung kümmerten, die in den Augen des Genossen Oregow zu lesen war.
    Das Meer schüttelte das Schiff
immer noch, aber es gehorchte wieder dem Steuer. So konnten sich die Männer der
Besatzung endlich an den Pumpen zu schaffen machen. Und die Reisenden konnten
daran denken, ihre durchnäßten Kleider zu wechseln.
    Sie gingen unter Deck. Der
Genosse Oregow wurde vergessen.
    Je mehr sich das Meer
besänftigte, desto normaler wurde das Leben an
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