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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle
Autoren: Ronald M. Hahn
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wiedersehen, und diesmal würde er sich in einer Position befinden, in der sie vor ihm katzbuckeln mußten. Gerber lachte lautlos.
    Die Lichter der Stadt verdichteten sich zu einem schleierähnlichen Schimmern. Der Helikopter durchstieß ein Wolkenfeld aus Gasablagerungen, jagte auf die weitläufige Fläche des Phantasmagoria-Turms zu und leitete die Landevorbereitungen ein. Taplinger würde einen entsetzlichen Schock bekommen, wenn er sah, daß die SensiTivideo es nicht einmal für nötig hielt, zu seinem Fest jemanden aus Brands Riege zu schicken. Man schickte ihm einen neuen Mann, einen aus den Reihen seiner ehemaligen Gehaltsempfänger, einen Fantasten!
    Die Landebahn auf dem Turmdach war seitwärts mit Prallfeldern versehen, die den in dieser Höhe pfeifenden Wind abhielten. Der Pilot landete den Helikopter ohne die geringsten Schwierigkeiten, nachdem er auf eine routinemäßige Funkanfrage mitgeteilt hatte, daß der Vertreter von SensiTivideo an Bord sei.
    Betreßte Portiers rissen den Eingang auf. Gerber betrat die Liftkabine, die ihn ein Stockwerk tiefer bringen würde, und genoß die wohlige Wärme. Es duftete nach Lavendel. Dezente Musik hüllte ihn ein, als sich die Kabinentür schloß und er mit rasender Schnelligkeit nach unten glitt. In der Roten Halle wimmelte es von Leben. Brombach stand – umringt von einer Gruppe blondgelockter Mädchen – im Mittelteil des großen Raums und hielt einen silbernen Sektkelch in der Rechten. Die Mädchen waren leichtgeschürzt und taten alles, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Selbst für einen SensiFilm mußten noch Standaufnahmen geschossen werden; auch wenn Menschen aus Fleisch und Blut für eine Produktion nicht mehr nötig waren, brauchten die Fantasten immer noch Anschauungsmaterial, aus dem sie die einzelnen Charaktere formen konnten.
    Gerber lächelte. Noch hatte niemand ihn bemerkt. Ein offenbar berauschter Mann rempelte ihn an und murmelte eine Entschuldigung. Gerber kannte ihn; es war Talliaferro, dessen Phantasie Das Combat-Team und einige andere Serien entsprungen waren. Sein Blick war glasig und wies alle Anzeichen des Ausgebranntseins auf. Wahrscheinlich war er der nächste auf der Abschußliste. Er taumelte weiter, und niemand würdigte ihn eines Blickes. Wahrscheinlich würden die Betreßten ihn irgendwann im Laufe des Abends auf einen lautlosen Wink Brombachs hin aus dem Raum entfernen.
    Gerber bleckte die Zähne und fühlte sich mit einem Mal ungewöhnlich gesund. Dies hier war das pralle Leben! Er schlenderte zwischen den in Trauben umherstehenden Menschen dahin, ließ sich von einem Kellner einen Drink reichen und marschierte, eine Hand in der Tasche und einen gelangweilten Blick zur Schau tragend, auf das gläserne Fenster zu, das den runden Raum kreisförmig umgab. Schwere Schmutzwolken hingen in der Luft und ließen das Licht aus den Tiefen der Stadt nur verzerrt zu ihm hinaufscheinen. Er prostete einem barbusigen Standmodell zu, das er noch von den Orgienszenen aus Blondie kannte, und beobachtete Brombach eine Weile aus der Ferne. Ein fetter Sittich, dachte er. Eine schuppige Kröte. Und seine Vorderzähne sehen aus wie die einer Ratte.
    Taplinger hatte auch diesmal wieder an nichts gespart. Zweihundert Auserwählte waren seiner Einladung gefolgt: Modelle, Star-Fantasten, Realisatoren, Scouts, Lizenznehmer aus anderen Ländern und die Vertreter verschiedener kleinerer Stationen aus dem Nachbargebiet. Auch sie durften sich am Tisch des Haifischs laben, der sie über kurz oder lang doch schlucken würde. Schlucken wollte, denn daraus würde wohl nichts mehr werden. Zu seiner Überraschung entdeckte Gerber mitten im dichtesten Menschengewimmel Devra Fenriss (das war natürlich ein Pseudonym; ihren wirklichen Namen kannte keiner). Sie unterhielt sich mit zwei hartgesichtigen jungen Managern, deren lüsterne Blicke ihm sofort verrieten, daß sie nicht nur auf einen Plausch zu Taplinger gekommen waren. Devra hatte die Vorlage der Titelrolle für Blondie abgegeben. Während sie mit den beiden Jungmanagern sprach, warf sie ihnen verständnissinnige Blicke zu, als stünden sie in einem geheimen Einverständnis miteinander. Die Konversation, die sie führte – das wurde Gerber mit Erschrecken bewußt –, hatte etwas seltsam Andersartiges. Er schüttelte den Kopf, betrachtete ihre wohlgerundeten Körperformen und fragte sich, was diese Änderung wohl bewirkt hatte. Im gleichen Augenblick sah sie ihn, preßte eine Hand vor den Mund, sagte ein
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