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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle
Autoren: Ronald M. Hahn
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dann hört Devra Fenriss das trommelfellzerreißende Donnern einer Explosion.
    Hirschmann zuckte zusammen, als sich in seinem Kopf unerwartet eine weibliche Stimme meldete und ihm verkündete, es sei für ihn nun an der Zeit, den Styx zu überqueren. Er kam nicht dazu, sich darüber zu wundern, wieso sein Empfänger empfing, obwohl die Sendezeit längst beendet war, denn nur zwei Sekunden später breitete sich eine nie gekannte Helligkeit in seinem Gehirn aus, ließ ihn gegen den Kühlschrank taumeln und die Umwelt in Bergen aus Watte verschwinden.
    Sein Herz machte plötzlich einen Sprung, die Knie knickten ihm ein, und er spürte nicht einmal mehr, daß er nun auf dem Boden lag und ziellos auf etwas zukroch, das er nie mehr erreichen sollte.
     
    Christian wurde vom Geräusch einer rollenden Explosion geweckt. Er sprang aus dem Bett, öffnete das Fenster und entdeckte eine mehrere hundert Meter hohe Feuerlohe, die sich östlich des Wupperzentrums in den schwarzen Himmel hineinfraß und von Sekunde zu Sekunde größer wurde. Er hörte die aufgeregten Stimmen seiner Eltern im Schlafzimmer, betätigte das Armbandsteuergerät und hoffte darauf, daß irgendeine Station eine Blitzmeldung über die Katastrophe abgeben würde.
    Nichts.
    Der Empfänger gab nur ein magisches Summen von sich.
    Christian fröstelte. Er schaute den Flammen zu, sah, wie sich auf den Straßen die Menschen versammelten, hörte ängstliche Schreie und Rufe und fragte sich, ob über den östlichen Hängen vielleicht ein Flugzeug abgestürzt sein mochte. Die Kälte trieb ihn eine halbe Stunde später wieder ins Bett zurück. Als er die Decke zum Kinn hinaufzog und sich vorstellte, wie er sich morgen im Arbeitsamt in die lange Schlange der Wartenden einreihen würde, kam ihm der sonderbare Gedanke, daß er von nun an dem Abenteuer des Lebens persönlich ins Auge schauen mußte.
     

 
Nachwort
     
    Um die Situation der heutigen deutschsprachigen Science Fiction zu verstehen, ist zunächst ein Blick in die Vergangenheit nötig. Die deutsche Science Fiction – der Einfachheit halber hier so bezeichnet, ohne im einzelnen aufzuschlüsseln, was „utopisch“, „phantastisch“, „Zukunftsroman“ bzw. Vorläufer des einen oder anderen war – verlor ihre Vielfalt in den dreißiger Jahren mit dem Faschismus. Zwar konnte 1935 noch ein literarisch bedeutsames Werk wie Paul Gurks Tuzub 37 erscheinen, aber die vielen Pflänzchen, die seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts erblüht waren, verwelkten. Niemand knüpfte an Laßwitz oder Scheerbart oder Kellermann an – um drei sehr verschiedenartige Autoren zu nennen, die für verschiedene Richtungen stehen. Übrig blieb allein der technisch orientierte Zukunftsroman im Stile eines Hans Dominik, übrig blieben (anfangs) Heftserien wie Sun Koh oder Rah Norton. Es bleibt müßig zu fragen, ob sich ohne den Faschismus die Magazin-SF Gernsbackscher Prägung einen Markt in Deutschland erobert hätte, denn angesichts der Ächtung alles Amerikanischen konnte ein solcher Versuch gar nicht erst unternommen werden.
    Nach dem Kriege blieben, wie auf den meisten anderen Gebieten, nur Trümmerhaufen zurück. Für die deutsche SF bedeutete dies, daß Verlage zunächst einmal das nachdruckten, was sich im Dritten Reich gut verkauft hatte: Dominik und die Heftserien (letztere von allzu Drastischem gereinigt). Das konnte nur ein Nachhall sein, es waren Zukunftsromane ohne Zukunft. Der wirkliche Neubeginn setzte dann einige Jahre später genau dort an, wo auch Gemsback mit seinen Magazinen begonnen hatte: auf dem Markt der billigen Unierhaltungsliteratur. Mit zwei wesentlichen Unterschieden: Im Gegensatz zu Amerika, wo den dime novels des neunzehnten Jahrhunderts im zwanzigsten Jahrhundert kein Erfolg mehr beschieden war, hatte der deutsche Leser von Unterhaltungsliteratur den Heft(kurz)roman auf Dauer akzeptiert. Also entstand die neue deutsche SF-Szene im Gewand des Heftromans. Und zweitens: Man importierte das, was in Amerika vorhanden war (längere Erzählungen bzw. Romane, die auf ein passendes Maß zusammengekürzt wurden).
    Deutsche Autoren, die Science Fiction schreiben wollten, mußten sich wohl oder übel diesem Markt anpassen – was sich für die Weiterentwicklung der deutschen Science Fiction insgesamt als lähmend erwies. Es fehlten die Magazine, in denen auch mal das eine oder andere Ungewöhnliche, Experimentelle hätte erscheinen können, es fehlte ein Buch- und Taschenbuchmarkt für Science Fiction (ganz
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