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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle
Autoren: Ronald M. Hahn
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auf seinen ersten Einsatz bezögen, und Gerber solle sich unbedingt den Abend freihalten.
    Gerber sagte zu allem ja und amen. Er verschlief den Nachmittag, ließ sich gegen sechs im Zentrumsrestaurant ein opulentes Mahl servieren (das erste seit mehreren Wochen, denn er hatte in letzter Zeit nur noch von Konserven und dem undefinierbaren Ausstoß der Imbißstuben gelebt) und zog sich in sein Apartment zurück. Gegen acht tauchte Brand bei ihm auf. Er hatte einen sonnenbebrillten Leibwächter bei sich, der jedoch auf dem Korridor stehenblieb. Nachdem sie Platz genommen hatten, kam Brand zum Geschäftlichen.
     
    BRAND: „Heute abend findet im obersten Stockwerk des Phantasmagoria-Turms eine Feier statt. Taplinger wird persönlich dort anwesend sein. Man hat der SensiTivideo eine Einladung zukommen lassen. Ihre Aufgabe besteht darin, als Vertreter unseres Senders an der Feier teilzunehmen und das Terrain zu sondieren.“
     
    GERBER: „Als Beobachter?“
     
    BRAND: „Als Vertreter. Taplinger soll wissen, daß er, was unsere geplante Fusion angeht, damit rechnen muß, daß wir uns von ihm nicht aufs Kreuz legen lassen. Es geht darum, wer bei dem in der Entwicklung befindlichen Neusender das Sagen hat, wenn ich mich mal so ausdrücken darf. Ich will ganz offen zu Ihnen sein, Herr Gerber. Hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf. Nach der Fusion werden einige Leute mit großen Namen gehen müssen. Taplinger will, daß diese Leute natürlich aus unseren Reihen kommen; wir wollen das Gegenteil.“
     
    GERBER: „Aber was hat das mit mir zu tun?“
     
    BRAND: „Indem wir Sie schicken, signalisieren wir ihm, daß wir möglicherweise mehr von seinen Plänen wissen, als er glaubt. Sie sind nicht der einzige Ex-Phantasmagoria-Mann, der nun für uns arbeitet. Wenn Sie aber als unser Vertreter auf Taplingers Party erscheinen, wird er Sie für einen möglicherweise rachsüchtigen Überläufer halten und annehmen, daß wir über seine Komplotte bereits unterrichtet sind. Taplinger hat Sie und eine Reihe anderer abservieren lassen, Gerber. Die Tatsache, daß Sie nun eine hohe Funktion in der SensiTivideo innehaben, wird ihn verunsichern. Er wird sich von Verrat umgeben sehen, was seine Pläne in Konfusion bringt. Da er glaubt, keinem mehr trauen zu können, wird er uns einen Handel vorschlagen, um seinen Kopf zu retten.“
     
    GERBER: „Sie wollen also erreichen, daß er in mir einen skrupellosen Verräter sieht? Ich kann nicht behaupten, daß ich diesen Gedanken sonderlich sympathisch finde. Außerdem … Was sollte ihn zu dieser Annahme führen? Ich habe für die Phantasmagoria nicht als Geschäftsführer, sondern als SensiFilm-Fantast gearbeitet. Wie sollte mein Stellungswechsel ihn verunsichern können?“
     
    BRAND: „Sie sind, wie ich schon sagte, nicht der einzige, der von der Phantasmagoria zu uns gekommen ist. Sagen Ihnen die Namen Waldmann und Böhlefeld etwas?“
     
    GERBER: „Ja. Waldmann war die rechte Hand des Intendanten. Böhlefeld der Hauptabteilungsleiter der politischen Redaktion bei Taplinger.“
     
    BRAND: „Die beiden arbeiten seit einer Woche für uns. Wir haben das geheimgehalten und das Gerücht verbreitet, sie seien in die USA gegangen. Man wird Taplinger heute abend mitteilen, daß sie bei der SensiTivideo sind, nachdem er erfahren hat, welche Funktion Sie bei uns innehaben. Es müßte eigentlich wie ein Schock auf ihn wirken, denn Waldmann und Böhlefeld wurden nicht gefeuert, sondern sind in absoluten Frieden gegangen.“
     
    GERBER: „Trotzdem …“
     
    BRAND: „Er hat Sie gekillt, Gerber! Ist es Ihnen nicht egal, was diese Medien-Hyäne von Ihnen denkt? Ist Ihnen das, was er vielleicht jetzt von Ihnen denkt, vielleicht lieber?“
     
    GERBER: „Hören Sie auf damit! Natürlich ist mir das nicht gleichgültig. Taplinger ist ein Bastard, niemand weiß das besser als ich. Es ist mir völlig schnuppe, ob Sie ihm auf legale oder illegale Weise die Flügel stutzen, aber …“
     
    BRAND: „Na sehen Sie! Ich will ganz offen sein, Gerber: Schon der Gedanke, mit ihm im gleichen Laden sitzen zu müssen, ekelt mich an. Aber wir sind inzwischen beide zu groß geworden, als daß wir noch gegeneinander bestehen können. Der Teilnehmermarkt ist aufgeteilt – beinahe jedenfalls. Wir können uns die Kunden jetzt nur noch mit technischen Tricks abspenstig machen. Wir haben Unsummen investiert, um uns die Teilnehmer gegenseitig abzujagen, aber die ständigen Investitionen verärgern die Aktionäre,
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