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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle
Autoren: Ronald M. Hahn
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ihn. Aber deswegen? Und dabei hatte der Junge doch immer so viele Zweier und Dreier mit nach Hause gebracht.
    Christians Mutter hingegen hatte direkt erleichtert gewirkt, obwohl er nun ebenfalls ohne Arbeit war. Er hatte ihre Worte noch im Ohr: „Ich weiß gar nicht, warum die den Arabern das Öl wegnehmen wollen. Die haben doch keinem was getan. Und außerdem: Gehört das Zeug nicht ihnen? Können wir nicht wieder mit Kohle heizen? Das haben unsere Eltern früher doch auch getan.“
    Christian lächelte amüsiert. Natürlich verstand sie nichts von der ganzen Sache. Frauen verstanden solche Dinge überhaupt nie.
    Er stand auf, sah sich das SensiFilm-Programm an und informierte sich über die Tagessendungen. Das Combat-Team war gerade zu Ende (verdammt!) , aber die Phantasmagoria kündigte auf ihrem vierten Netz eine neue Serie an, deren Titel recht vielversprechend klang und von einem bekannten Fantasten konzipiert worden war: Die Sadisto-Sisters. Das vierte Netz war ausschließlich für Erwachsene reserviert. Möglicherweise bekam er dort etwas zu sehen, was seine Trübsal vertreiben konnte. Es war am besten, gar nicht mehr über die Ungerechtigkeit nachzudenken. Christian betätigte das Armbandsteuergerät, schaltete das vierte Netz ein und spürte, wie die ihn beherrschenden schwarzen Gedanken dunklen Vögeln gleich von ihm wegtrieben. Eine seltsame Starrheit bemächtigte sich seines Körpers, und obwohl er für die Zeit der Sendung die Umwelt nicht mehr wahrnehmen konnte, fühlte er doch mit jeder Faser des Körpers, wie seine Nerven vibrierten. Er war auf einmal ganz woanders. Ein warmer Wind strich über seine Wangen und ließ ihn wohlig erschauern. Vor ihm breitete sich eine scheinbar endlose Sandwüste aus. Camp 17 lag direkt hinter ihm. Er sah Dünen, so weit das Auge reichte. Der Himmel war hellblau und wolkenlos. Rechterhand von ihm – Christian hieß jetzt Thorstein – breitete sich eine wildwuchernde grüne Oase aus. Obwohl kein Lufthauch zu spüren war, wiegten sich die saftigen Dattelpalmen majestätisch unter der Berührung einer unsichtbaren Hand. Er brauchte nicht einmal den Kopf zu wenden, um die Süße des Wassers des kleinen Sees zu riechen, an dem gerade eine Gruppe deutscher Soldaten ihre Kamele tränkte.
    Christian/Thorstein sah sich um, ließ seinen Blick über die bunten Zelte schweifen und musterte die beiden grazilen, vollbusigen Schönheiten, die das Kommando anführten. Sie hatten sich ihrer Uniformjacken entledigt und standen – lange schwarze Zigaretten rauchend – vor einem blauen Luftwaffenzelt und vernahmen den weißgekleideten Nomaden, den der Spähtrupp heute morgen in der Nähe des Camps festgenommen hatte. Daß der Mann ein Spion war, standfest, denn jeder gute Bürger eines Landes tat am besten daran, wenn er sich aus militärischen Dingen heraushielt.
    Die beiden dunkelhaarigen weiblichen Offiziere sahen sich an, wechselten einen vielsagenden Blick und gaben einem der umstehenden Unteroffiziere zu verstehen, daß er ihnen das bringen solle, womit sie gemeinhin bei Verhören die größten Erfolge erzielten. Der Mann riß die Hand an den Helm und verschwand in einem der Zelte. Kurz darauf kehrte er mit zwei säuberlich aufgerollten Bullpeitschen zurück.
    Thorstein – Hauptmann Thorstein – fühlte ein seltsames, aber nicht unsympathisches Zucken in den Lenden. Und Christian mit ihm.
     
    Natürlich ließen sie Gerber zwei Stunden später wieder laufen. Mit der SensiTivideo legte sich niemand gerne an; zudem saß der Oberstadtdirektor mit Roderich Brand zusammen im Aufsichtsrat der Gesellschaft. Gegen drei saß Gerber wie ein verbeulter Sack in einem überfüllten Bus und ließ sich nach Hause bringen. Den Dienstwagen konnte er nur mit einem Taxi erreichen, aber er hatte keine Lust, noch eine stundenlange Fahrt durch die verstopfte Innenstadt auf sich zu nehmen. Als er das Wupperzentrum erreichte, nahm er ein Bad, entdeckte, daß der Hausmeister das abgerissene Spülbecken hatte richten lassen, versorgte sich mit frischen Kleidern und rief Brand an, damit dieser jemanden in Marsch setzte, um den Wagen herbringen zu lassen. Brand drückte ihm sein Bedauern über die irrtümliche Festnahme aus (wieso wußte er überhaupt schon davon?) und versprach, am gleichen Abend bei ihm vorbeizuschauen. Er habe inzwischen Gespräche mit der Geschäftsleitung geführt; Gerber könne sich als Assistent des Aufsichtsratsvorsitzenden betrachten; außerdem habe er Instruktionen, die sich
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