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Gemischte Gefühle

Gemischte Gefühle

Titel: Gemischte Gefühle
Autoren: Ronald M. Hahn
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die viel lieber höhere Profite sehen würden. Wir stehen beide unter einem kolossalen Druck. Nur eine Fusion kann das Wettrüsten zum Erliegen bringen.“
     
    GERBER: „Das sehe ich ein.“
     
    BRAND: „Taplinger ist ein Schakal. Wenn er weiß, wer von nun an alles für die SensiTivideo arbeitet, wird er um sich herum nur noch Verrat riechen. Er wird sich mit uns zusammentun und seine eigenen Leute hinrichten lassen; sein Psychogramm läßt da keinen Zweifel offen. Und nachdem er das getan hat, haben wir ihn in der Hand und können ihn seinerseits abservieren.“
     
    GERBER: „Sie haben sein Psychogramm?“
     
    BRAND: „Ja. Fragen Sie mich nicht, wie wir daran gekommen sind. Selbst wenn ich darüber informiert wäre, würde ich es Ihnen nicht sagen.“
     
    GERBER: (schweigt)
     
    BRAND: „Nun?“
     
    GERBER: „Ich gehe hin. Es wird mir eine Genugtuung sein, ihn wiederzusehen.“
     
    Das Betriebsfest war in vollem Gange, als Hirschmann seinen Mantel anzog, die Bank durch den Hintereingang verließ und sich auf den Nachhauseweg machte. Er war wütend und fühlte sich erniedrigt. Die kleine Groß hatte ihn hingehalten, wie gewöhnlich, und schließlich war sie mit dem Hauptkassierer abgerauscht. Hirschmann haßte den Kerl, denn er war ein Aufreißer, wie er im Buche stand: groß, schlank, dunkelhaarig, mit makellosem Gebiß, einem steten Lächeln auf den Lippen, schmalhüftig, aufmerksam – und ein ausgezeichneter Tänzer. Die kleine Groß hatte sich an ihn gehängt wie eine Klette und ihm noch liebevoll den Nacken gekrault, als er ihr das Knie zwischen die Schenkel geschoben hatte.
    Hirschmann dachte an seine eigene Frau, an sein Zuhause, seine Kinder, die ihn nicht mehr grüßten, seit sie auf die andere Seite übergewechselt waren, und spielte mit dem Gedanken, in eine Bar zu gehen und sich vollaufen zu lassen. Er fühlte sich aber müde; die Nacht fing an, ihren Tribut zu verlangen. Er hätte nicht so lange durch die Stadt laufen sollen. Eingebracht hatte es ihm ohnehin nicht viel, obwohl es im Rotlichtbezirk zu einigen verlockenden Angeboten gekommen war. Ach was. Hirschmann fragte sich, was er eigentlich suchte, was ihn auf die nächtlichen Straßen trieb, nachdem das SensiFilm-Programm zu Ende war. Früher war das anders gewesen. Er hatte sich nach dem Ende eines Streifens wirklich befriedigt gefühlt. Aber das war lange her. Heute dürstete es ihn nur noch nach Neuem, nach mehr. Er schüttelte sich.
    Als er nach Hause kam, hatte er die kleine Groß vergessen. Seine Frau war nicht da. Ein Zettel an der Wohnzimmertür informierte ihn darüber, daß sie mit den Kindern die Stadt verlassen hatte. Na wenn schon. Er riß den Fetzen ab und warf ihn in den Treteimer. Die Wohnung war jetzt sturmfrei, aber was sollte er damit anfangen? Er war kein gottverdammter Pennäler mehr, der sich die Gelegenheit zunutze machte und gleich eine Herde von Freunden zu sich einlud. Ob er sich ein paar Huren kommen lassen sollte? An Geld herrschte kein Mangel. Er hatte eine gesicherte Position. Die Gelegenheit war da, er brauchte sie nur zu nutzen. Er konnte so lange toben, wie es ihm Spaß machte. Die Wände waren absolut schallisoliert. Niemand würde es hören. Er konnte eine Orgie veranstalten, wilde Musik machen, Alkohol in Strömen fließen lassen.
    Er tat nichts dergleichen und warf sich statt dessen auf das ungemachte Bett, schloß die Augen und schaltete das Armbandsteuergerät ein.
    Weg von hier, nur weg.
    Sekunden später näherte er sich mit schußbereit gezogener Luger einem Rattennest, das er ausräuchern mußte.
     
    Gerber flog in einem Helikopter über der Stadt dahin und fühlte sich wie im Höhenrausch. Er merkte nicht das geringste von der Smogwolke, die über der Megalopolis lag, die sich zweihundert Kilometer weit in alle Richtungen erstreckte. Er atmete gesunde, würzige Luft, sog seine Lungen voll, blies seinen Oberkörper auf und lauschte dem Summen der Rotoren. Er blickte auf die schillernden Lichtkaskaden hinab, die sich unter ihm ausbreiteten und dachte: Es war ein Irrtum anzunehmen, ich sei fertig. Ich bin noch lange nicht fertig, aber Taplinger und die Phantasmagoria werden es bald sein. Das Gefühl der Rache schmeckte süß. Er sah dem Piloten über die Schulter, schenkte sein Gehör dem Pulsieren des unter ihnen dahinfließenden Lebens und spürte eine übermächtige Erregung. Er versuchte sich vorzustellen, was die Nacht ihm bescheren würde. Er würde Brombach und all die anderen Kriecher
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