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Geloescht

Geloescht

Titel: Geloescht
Autoren: Teri Terry
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leeres, langweiliges Blatt Papier.
    Amy trägt ein fließendes, rot gemustertes Kleid mit langen Ärmeln, aber sie hat einen davon hochgeschoben, sodass ich das Levo an ihrem Handgelenk sehen kann. Meine Augen weiten sich vor Überraschung: Sie wurde auch geslated. Ihr Levo ist ein älteres Modell, groß und dick im Vergleich zu meinem, das nur aus einer schmalen Goldkette mit einem kleinen Display besteht und aussehen soll wie eine Armbanduhr oder ein Armkettchen. Aber darauf fällt natürlich niemand rein.
    Â»Ich freu mich so, dass ich jetzt eine Schwester habe«, sagt Amy, und es muss stimmen, denn auf ihrer Digitalanzeige steht 6,3.
    Wir kommen zur Pforte – hier halten mehrere uniformierte Männer Wache. Einer tritt ans Auto, die anderen sehen hinter der Glasscheibe zu. Dad drückt auf ein paar Knöpfe und alle Autofenster und der Kofferraum gehen auf.
    Mum, Dad und Amy ziehen ihre Ärmel hoch und halten ihre Hände aus den Fenstern, also tue ich das Gleiche. Der Wächter schaut auf Mums und Dads leere Handgelenke und nickt, geht dann zu Amy und hält ein Ding an ihr Levo, bis es piept. Dann macht er dasselbe mit meinem Levo. Er wirft einen Blick in den Kofferraum und schließt ihn wieder.
    Eine Schranke geht auf und wir dürfen passieren.
    Â»Kyla, was möchtest du heute machen?«, fragt Mum.
    Mum ist rund und spitz, nein, das ist kein Scherz. Ihr Körper ist rund und weich, aber ihr Blick und ihre Worte sind spitz.
    Der Wagen fährt auf die Straße und ich drehe mich um. Ich kenne das Krankenhaus gut, aber nur von innen. Das Gebäude ist riesig – ich sehe endlose Reihen von vergitterten Fenstern. Hohe Zäune und Türme mit Wachen, die auf und ab patrouillieren, markieren die Grenzen des Klinikgeländes. Und …
    Â»Kyla, ich habe dich etwas gefragt!«
    Ich schrecke hoch. »Ich weiß es nicht«, sage ich vorsichtig.
    Dad lacht auf. »Natürlich nicht, Kyla, keine Sorge.« Dann wendet er sich an Mum: »Kyla weiß nicht, was sie unternehmen möchte, denn sie hat ja nicht einmal eine Vorstellung davon, was man unternehmen kann .«
    Â»Also komm, Mum, das weißt du doch«, sagt Amy und schüttelt den Kopf. »Lasst uns direkt nach Hause fahren. Sie soll sich erst ein bisschen an alles gewöhnen, hat die Ärztin gesagt.«
    Â»Ja, Ärzte wissen immer alles «, seufzt Mum, und ich kapiere, dass dieses Thema wohl schon häufiger zur Diskussion stand.
    Dad schaut in den Spiegel. »Kyla, weißt du, dass 50 Prozent aller Ärzte die schlechtesten Schüler ihres Jahrgangs waren?«
    Amy lacht.
    Â»Also ehrlich, David«, protestiert Mum, aber sie lächelt auch.
    Â»Kennt ihr den Witz von dem Arzt, der links nicht von rechts unterscheiden konnte?«, beginnt Dad und zählt eine lange Liste von Operationsfehlern auf, von denen ich hoffe, dass sie nie in meinem Krankenhaus passiert sind.
    Aber bald vergesse ich alles um mich herum und starre nur noch aus dem Fenster.
    London .
    Ein neues Bild entsteht in meinem Kopf. Das New London Hospital verliert seinen zentralen Platz in meinen Gedanken und versinkt in einem weiten Meer. Straßen, die immer weiter und weiter führen, Autos, Gebäude – alles ist voller Leben. Zum Trocknen aufgehängte Wäsche auf Balkonen und Vorhänge, die aus Fenstern herauswehen. Überall: Menschen – in Autos und auf der Straße. Menschenmassen und Läden und Büros und immer noch mehr Menschenmassen, die in alle Richtungen strömen und die Wachleute ignorieren, die an den Straßenecken stehen, wenn auch immer seltener, je weiter wir uns vom Krankenhaus entfernen.
    Dr. Lysander hat mich oft gefragt, warum ich den Drang habe, alles zu beobachten und alles wissen zu wollen, um es mir einzuprägen und jeden Bezugspunkt und jede Position zu merken.
    Doch die Antwort ist, dass ich es nicht weiß. Vielleicht will ich mich nicht leer fühlen. Es fehlen so viele Details, die ergänzt werden müssen.
    Schon nach wenigen Tagen in der Klinik – sobald ich wieder wusste, wie man einen Fuß vor den anderen setzt, ohne hinzufallen – bin ich jedes frei zugängliche Stockwerk abgegangen, habe Flure und Türen gezählt und als Bilder in meinem Gehirn gespeichert. Ich hätte danach jedes Schwesternzimmer, jedes Labor und jeden anderen Raum blind wiedergefunden. Und auch jetzt noch schließe ich meine Augen und sehe alles vor
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