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Geloescht

Geloescht

Titel: Geloescht
Autoren: Teri Terry
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Farben, und besonders die verblühenden Blumen entlang des Hauses. Alle wollen eingefangen und geordnet werden, wollen Striche auf dem Papier werden. Ich ziehe das Fenster wieder leise zu und gehe durchs Zimmer. Amy liegt still in ihrem Bett, ihr Brustkorb bewegt sich immer noch sanft und gleichmäßig.
    Zwei grüne Augen betrachten mich vom Ende meines Bettes. »Miau!«
    Â»Schhh. Weck Amy nicht auf«, flüstere ich und streiche mit der Hand über Sebastians Fell. Er streckt sich und gähnt.
    Wo sind meine Zeichensachen? Amy hat gestern Nachmittag meine Tasche ausgepackt, denn ich war zu wirr im Kopf, um mich darum zu kümmern, mit all den neuen Dingen und Menschen um mich herum, die meine ganze Aufmerksamkeit erforderten.
    Ich öffne eine Schublade, dann eine andere – vorsichtig und leise, bis ich sie finde: meine Mappe mit Zeichnungen, meinen Skizzenblock und meine Stifte.
    Ich nehme alles heraus und entdecke darunter die Schokolade, die ich gestern Morgen von den Schwestern meiner Station als Abschiedsgeschenk bekommen habe. Gestern erst, bemerke ich überrascht. Meine Zeit in der Klinik scheint viel länger her zu sein, als gehörte sie bereits zu meiner Vergangenheit.
    Ich werfe einen Blick auf mein Levo und sehe, dass ich bei 6,1 bin. Überhaupt nicht niedrig. Ich brauche keine Schokolade. Aber wer braucht schon eine Entschuldigung für Süßigkeiten? Also öffne ich die Verpackung.
    Â»Interessante Frühstückswahl.« Amy setzt sich auf und gähnt. »Bist du Frühaufsteherin?«
    Ich sehe sie verständnislos an.
    Â»Wachst du immer so früh auf?«
    Ich denke nach. »Ich glaube, schon«, sage ich schließlich. »Aber das könnte auch daran liegen, dass man im Krankenhaus gar keine andere Wahl hat.«
    Â»Oh, ich erinnere mich. Die grauenhaften Wecker. Frühstück vor sechs.« Sie schaudert.
    Â»Möchtest du?« Ich halte ihr die Packung Schokolade hin.
    Â»Verlockend, aber nein danke. Vielleicht später, wenn ich wacher bin. Was ist das?« Sie zeigt auf die Mappe in meiner anderen Hand.
    Â»Meine Zeichnungen.«
    Â»Darf ich sie mir anschauen?«
    Ich zögere. Ich zeige sie fast nie jemandem, obwohl Dr. Lysander darauf bestanden hat, sie ab und an durchzusehen.
    Â»Du musst sie mir nicht geben, wenn du nicht willst.«
    Ich setze mich neben Amy, öffne die Mappe und nehme die Blätter heraus. Amy stößt einen kleinen Schrei aus, als ihr Blick auf das oberste Bild fällt. Ein Selbstporträt. Die eine Gesichtshälfte könnte mein Spiegelbild sein, doch bei der anderen fehlt die Haut und der Augapfel hängt aus einer leeren Höhle.
    Â»Darf ich?« Amy streckt die Hand aus und ich reiche ihr die Zeichnung.
    Irgendetwas stimmt nicht. Mein Selbstporträt lag gestern nicht oben auf. Ich beginne, durch die Seiten zu blättern.
    Â»Du bist wahnsinnig gut, das ist wirklich super.«
    Es sind nicht genug Seiten, der Blätterstapel ist nicht so dick, wie er sein sollte. Wo sind meine Zeichnungen?
    Â»Was ist los?«
    Â»Einige meiner Bilder fehlen.«
    Â»Bist du dir sicher?«
    Ich nicke. Ich blättere die Mappe noch einmal langsamer durch.
    Die Bilder von mir, von meinem Zimmer, von Leuten und Orten, die ich mir ausgedacht habe, sind da. Aber viele andere nicht.
    Â»Ich bin mir ganz sicher. Fast die Hälfte fehlt.«
    Â»Was war denn darauf zu sehen?«
    Â»Alles Mögliche. Schwestern. Mein Stockwerk im Krankenhaus, Karten von verschiedenen Klinikabschnitten und Räumen. Dr. Lysander. Und …«
    Â»Hast du Dr. Lysander gesagt?« Amy reißt die Augen auf.
    Ich nicke und blättere weiter durch die Seiten, überzeugt davon, dass ich sie finden werde, wenn ich nur lang genug suche.
    Â» Die Dr. Lysander? Kennst du sie wirklich?«
    Ich höre auf zu blättern. Sie sind nicht da. Verschwunden.
    Bzzzz . Eine Warnung an meinem Handgelenk: 4,3 und fallend.
    Amy legt einen Arm um meine Schultern. Ich zittere, aber nicht vor Kälte. Wer kann so etwas tun? Mir die einzigen Dinge nehmen, die mir gehören.
    Â»Du kannst doch einfach neue Bilder malen, oder nicht?« 3,9 – fallend.
    Â»Kyla! Sieh mich an.« Amy schüttelt mich. »Sieh her«, wiederholt sie.
    Ich löse meinen Blick von meinem Selbstporträt und dem toten Auge in seiner leeren Höhle und schaue zu Amy. Sorge und Angst um mich spiegeln sich in ihren Augen, obwohl sie mich
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