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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt
Autoren: Len Deighton
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Vertragsbruch, aber nur ein geringfügiger. Die beiden Samsons waren auf der Seite seines Auftraggebers. Bis die beiden von ihren Leuten vernommen wurden, würde Thurkettle längst sein Geld haben und über alle Berge sein. Fiona Samson wäre einfach sitzen geblieben, wenn sie nicht ihre ganze Willenskraft aufgeboten hätte, auf die Füße zu kommen. Irgend etwas in ihr war zerrissen. War dies der Zusammenbruch ihres Willens, den sie schon seit so langem fürchtete? In ihrem Kopf war ein Geräusch, das sie nicht kannte. Es löschte ihre Gedanken aus und verzerrte ihr die Sicht. Sie wußte nicht, wer sie war, und konnte sich nicht erinnern, wo sie hätte sein sollen. In der schlaffen Haltung einer Schlafwandlerin tauchte sie aus der Dunkelheit auf. Mit Blut bespritzt, bewegte sie sich über den weichen Boden stolpernd, Schritt für Schritt auf den Ford-Transit zu. Sie war vollkommen gelähmt, seitdem sie hatte mit ansehen müssen, wie der liebe gute Harry, den sie liebte, so brutal niedergeschossen wurde, nicht von einem rächenden Ehemann, sondern von einem professionellen und gleichgültigen Jemand. Tessa auch. Die Schwester, die sie mehr liebte, als sie sagen konnte, lag tot in einer Blutlache. Dies war das Jüngste Gericht, das sie mit solchem Schrecken entdeckt hatte. Hier waren die Ungeheuer, die sie nun in alle Ewigkeit quälen würden. Von Sünde gepeinigt, war sie jenseits der gemütlichen Welt des Pariser Platzes in den blutigen Alptraum an der Wand getreten, und daraus gab es kein Entkommen. Mit betäubtem Geist und an einer Angst leidend, von der sie sich niemals ganz erholen würde, bewegte sie sich durch ihre wahnsinnige Welt wie ein Automat.
Bernard Samson sah, wie Fiona in den Ford stieg. Dann, mißtrauisch bis zuletzt, rannte er in Deckung. Als nicht auf ihn geschossen wurde, stieg er in den Wagen zu seiner Frau. Der Motor sprang an, und der Wagen rollte langsam und vorsichtig über die Schlaglöcher auf die Fahrbahn. Erst als er außer Sicht war, hielt Thurkettle die Luft für rein genug, aus seinem Versteck zu kommen.
Allein gelassen, zog Deuce Thurkettle seinen Trenchcoat aus, damit nur sein Overall schmutzig wurde. Er nahm die Säge und machte sich hastig, aber sorgsam an seine grausige Arbeit. Als der Kopf abgeschnitten war, schleppte er Tessas Leiche in den Wagen und plazierte sie zusammen mit dem Schädel, den er im Gepäck hatte. Die übrigen Leichen – der Mann im Gorilla-Kostüm. Harry Kennedy und Stinnes – endeten in der Tiefe der Ausschachtung.
Thurkettle stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er ihnen seinen blutgetränkten Overall in die Grube nachschleuderte. Die Waffen warf er ebenfalls hinterher und bedeckte dann, unter Benützung seiner Schaufel, alles mit Erde und Schutt. Den Wagen in Brand zu stecken war leichter. Er sah zu, wie der Wartburg brannte, und überzeugte sich davon, daß alles, was er enthielt, vollkommen von den Flammen verzehrt wurde. Erst dann stieg er auf sein Motorrad und fuhr weg, sich sein Geld zu holen.
Werner Volkmann saß in einem Skoda an der Ausfahrt Zeuthen, wie mit Thurkettle verabredet. Werner hatte den Abend auf einem Kostümfest verbracht, zu dem er selbst eingeladen hatte. Er hatte nur Mineralwasser getrunken, aber jetzt war er müde. Werner hatte immer davon geträumt, ein richtiger Geheimagent zu werden. Er hatte angefangen, kleine Aufträge für die Briten zu erledigen, als er noch keine zwanzig war, und noch immer faszinierte ihn dieses ganze Spionagegeschäft. Dies war für ihn das Finale. Er wußte das. Der D.G. hatte ihm die Hand geschüttelt und etwas von einer Auszeichnung gemurmelt; kein Geld, irgendeine Medaille oder ein Diplom hatte er gemeint. Nach seinem letzten Besuch in Kalifornien hatte, wie Werner erkannte, Bret ihn endgültig verabschiedet. Morgen früh würde Werner wieder in seinem Hotel in West-Berlin und ganz Privatmann sein. Seine Geheimdienstkarriere war vorbei. Er würde nie etwas davon erzählen. Geteilte Geheimnisse entsprachen nicht seiner Vorstellung von dem, was Geheimnisse sein sollten. Er betrachtete die Pistole, mit der ihn an diesem Morgen die Londoner Zentrale ausgerüstet hatte. Er hatte gehofft, sie würden ihm etwas geben, was seine romantische Sehnsucht befriedigen würde: einen wunderschönen Colt, Modell 1911, eine elegante Walther P .38 oder eine klassische Luger. Statt dessen hatte ihm London nur einen von diesen billigen kleinen Einwegartikeln ohne Patronenkammern geschickt. Das Ding sah wie ein
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