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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt
Autoren: Len Deighton
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rauchte und ein Kapitel eines ihrer Liebesromane las.
    Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, war sie noch dort: Sie saß im Bett, im Schneidersitz, das seidene Nachthemd so verschoben, daß es ihre Schenkel entblößte und der Spitzenbesatz der Schultern sich hinter ihrem Kopf bauschte. Ihre Haut war blaß – sie mied die Sonne –, ihre Figur voll, aber nicht übergewichtig und ihr Haar zerzaust. Sie spürte, daß er sie musterte, und hob die Augen, um ihn anzufunkeln. Früher hatte ihn diese Pose, dieser wilde Gesichtsausdruck, die Zigarette im Mund, erregt. Vielleicht hatte er gehofft, ein schamloses Luder dahinter zu entdecken. In dem Fall waren seine Hoffnungen bald enttäuscht worden.
    Er trat in den Alkoven, den er als Ankleidezimmer verwendete, und schob die Spiegeltür des Kleiderschranks auf, um einen Anzug zu wählen unter den zwei Dutzend, die da hingen, jeder in Seidenpapier und einen Plastikbeutel verpackt, so, wie er aus der Reinigung gekommen war.
    »Du hast keine Gefühle«, sagte sie.
»Nicht doch, Nikki«, sagte er. Sie hieß Nicola. Sie hatte es nicht gern, wenn man sie Nikki nannte, aber jetzt war es zu spät, ihm das noch zu sagen.
»Ich meine, was ich sage«, sagte sie. »Du schickst Männer in den Tod wie Postwurfsendungen. Du bist herzlos. Ich habe dich nie geliebt. Niemand könnte das.«
Was für Unsinn sie redete. Bret Rensselaer saß beim SIS auf dem Posten des Deputy Controller of European Economics. Trotzdem kam es der Wahrheit sehr nahe, es gab Momente, in denen er bei der Organisation gefährlicher Aufträge das letzte Wort hatte. Und wenn solche schwierigen Entscheidungen zu treffen waren, scheute Bret nie davor zurück. »Du hast dir aber verflixt lange Zeit gelassen, damit herauszurücken«, sagte er verständnisvoll, während er einen leichten Wolle-MohairAnzug in der Nähe des hellen Fensters aufhängte und die Hosenträger an den Hosen befestigte. Er knüllte das hellblaue Seidenpapier zusammen und warf es in den Wäschekorb. Dann wählte er ein Hemd und Unterwäsche. Er war besorgt. In dieser streitsüchtigen Stimmung mochte Nikki solche melodramatischen Geschichten schließlich auch dem erstbesten Fremden erzählen. Das hatte sie bisher zwar nie gemacht, aber bisher hatte er sie auch noch nie in dieser Verfassung gesehen.
»Ich habe in letzter Zeit darüber nachgedacht«, sagte sie. »Viel darüber nachgedacht.«
»Und hat dieser Denkprozeß vor oder nach dem Lunch am vergangenen Mittwoch angefangen?«
Sie sah ihn kühl an und blies Rauch aus, ehe sie sagte: »Joppi hat nichts damit zu tun. Denkst du, ich würde mit Joppi über dich sprechen?«
»Gelegentlich hast du’s schon getan.« Daß sie den bayerischen Hochstapler immer bei diesem blöden Kosenamen nannte, machte ihn wütend, obwohl ihn ziemlich alle so nannten.
»Das war was anderes. Das ist schon Jahre her. Und damals warst du mir weggelaufen.«
»Joppi ist ‘ne Flasche«, sagte Bret und war wütend, daß er seine Gefühle verriet. Er sah sie an und verspürte, nicht zum ersten Mal, mörderischen Zorn. Er hätte sie ohne den mindesten Anflug von Reue erwürgen können. Aber egal. Er würde zuletzt lachen.
»Joppi ist ein waschechter Fürst«, sagte sie herausfordernd.
»Fürsten kriegt man in Bayern zehn für einen Penny.«
»Und du bist eifersüchtig auf ihn«, sagte sie und gab sich keine Mühe, das Vergnügen zu verbergen, das sie bei dieser Vorstellung empfand.
»Weil er meiner Frau schöne Augen macht?«
»Mach dich nicht lächerlich. Joppi hat schon eine Frau.«
»Eine pro Tag, wie ich höre.«
»Manchmal bist du wirklich kindisch, Bret.«
Er antwortete nicht, abgesehen von dem tiefgekränkten Blick, den er ihr zuwarf. Er fand es beklagenswert, daß so viele Amerikaner wie seine Frau solche europäischen TalmiAristokraten anschwärmten. Sie waren Joppi im Juni vergangenen Jahres in Ascot begegnet. Eins von Joppis Pferden lief im Coronation Stakes-Rennen, und so war er mit einer großen Gesellschaft deutscher Freunde dort. Daraufhin hatte er die Rensselaers zu einem Wochenende in ein Haus eingeladen, das er in der Nähe von Paris gemietet hatte. Sie waren hingefahren, aber Bret hatte es dort nicht gefallen. Der ölige Joppi hatte Nikki angeglotzt, wie Bret seine Frau nicht von anderen Männern angeglotzt sehen wollte. Und Nikki hatte es nicht mal gemerkt, jedenfalls behauptete sie das, als Bret sich später bei ihr darüber beschwerte. Jetzt hatte Joppi Nikki zum Lunch eingeladen, ohne wenigstens der Form
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