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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt
Autoren: Len Deighton
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gehabt hatte, ins Gedächtnis. Er ermahnte sich, keine Zeit darauf zu verschwenden, über ihre Entzweiung nachzugrübeln. Was weg war, war weg, ihm sollte es recht sein. Bret Rensselaer hatte immer behauptet, daß er nicht der Mann sei, nachzutragen oder nachzutrauern, aber jetzt fühlte er sich verletzt und war zutiefst beleidigt. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, rief er sich jene lange zurückliegende Zeit in Erinnerung, da er sich bemühte, in die Operationsabteilung versetzt zu werden. Er hatte ein paar Pläne zur Unterminierung der ostdeutschen Wirtschaft entworfen, aber niemand hatte ihn ernst genommen. Aufgrund seiner zu diesem Zweck unternommenen umfangreichen Recherchen hatte ihm der Generaldirektor das Referat für Europäische Wirtschaft anvertraut. Bret hatte eigentlich keine Ursache, sich darüber zu beklagen, er hatte dieses Referat zu einem mächtigen Imperium ausbauen können. Doch die Arbeit dieses Referats bestand in der Auswertung von Nachrichten. Er hatte immer bedauert, daß man seine weiterreichenden Ideen nicht aufgegriffen hatte, Projekte, die den Wandel in Ostdeutschland befördern sollten.
Bret hatte niemals daran gedacht, einen Agenten in die Spitze des Moskauer KGB einzuschleusen. Lieber hätte er einen wirklich brillanten Agenten, der langfristig die Information der eigenen Seite und die Desinformation des Gegners sichern könnte, in Ost-Berlin, der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, angesetzt. Das war nicht von heute auf morgen zu machen. So was ließ sich nicht übers Knie brechen. Die Eile, mit der so viele Operationen des SIS durchgezogen wurden, war bei einem solchen Unternehmen unbedingt zu vermeiden.
Das Department hatte wahrscheinlich Dutzende von »Schläfern«, die sich in der oder jenen Kapazität als langjährige, treue Agenten bei den verschiedenen osteuropäischen kommunistischen Regimen akkreditiert hatten. Es galt nun, eine solche Person zu finden, und zwar die für Brets Zwecke geeignetste. Aber der langwierige und sorgfältige Auswahlprozeß mußte so diskret und vorsichtig durchgeführt werden, daß niemand merkte, was er vorhatte. Und wenn er seinen Mann gefunden hatte, mußte er diesen noch überreden, Kopf und Kragen zu riskieren, auf eine Weise, wie dies »Schläfern« gewöhnlich nicht zugemutet wurde. Eine Menge dieser zu gründlichster Tarnung bestimmten »Schläfer« kassierten ihr Gehalt und vertrauten auf das Glück, nie zu einem Auftrag herangezogen zu werden. Einfach würde es nicht sein. Vergnüglich auch nicht. Zu Anfang würde es wenig oder gar keine Kooperation geben aus dem einfachen Grund, weil er niemandem in seiner Umgebung würde anvertrauen können, was er vorhatte. Später würde dann das Geschrei um Anerkennungen und Belohnungen losgehen. Dem Department waren solche Dinge sehr wichtig. Es war ganz natürlich, daß diese Männer, die immer im Dunklen arbeiteten, so energisch und verzweifelt das Licht der öffentlichen Bewunderung und Anerkennung forderten, wenn alles gutging. Wenn aber alles schiefging, würde es die bitteren Anklagen geben, die gewöhnlich bei der Analyse von Fehlschlägen erhoben wurden. Schließlich gab es noch die Konsequenzen, die eine derartige Operation für denjenigen haben würde, der hinging und die schmutzige Arbeit machte. Diese Leute kamen nicht zurück. Oder wenn sie zurückkamen, waren sie erledigt, zu keiner Arbeit mehr fähig. Von den Überlebenden, die Bret gesehen hatte, waren wenige zu mehr imstande gewesen, als mit einer Decke über den Knien bei dem ihnen vom Department empfohlenen Psychotherapeuten zu sitzen und vergeblich zu versuchen, ihre zerrütteten Nerven und geplatzten Beziehungen wieder aufzubauen.
Es war leicht einzusehen, warum sie sich nicht erholen konnten. Man verlangt von jemandem, alles zu verlassen, was ihm lieb und teuer ist, um in einem fremden Land zu spionieren. Dann, Jahre später, holt man ihn zurück – so Gott will –, und nun soll er den Rest seines Lebens friedlich und zufrieden verbringen. Für so jemand gibt es aber weder Frieden noch Zufriedenheit mehr. Der arme Teufel kann sich ja keines Menschen mehr erinnern, den er nicht irgendwann betrogen und im Stich gelassen hat. Solche Leute werden so unausweichlich vernichtet, als stellte man sie vor ein Erschießungskommando. Andererseits mußte man diese Zerstörung eines Menschen – sowie vielleicht einiger seiner Angehörigen – abwägen gegen das, was mit einem solchen Coup zu erreichen war. Es ging um den
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