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Gelinkt

Gelinkt

Titel: Gelinkt
Autoren: Len Deighton
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sorgfaltiger zahnärztlicher Betreuung zeugende Zähne. Danach setzte er sich hin, beobachtete den fallenden Regen und wartete geduldig. Diese Sachen laufen nie genau nach Plan. Das war die wichtigste Lehre, die er aus seiner langjährigen Erfahrung gezogen hatte. Prettyman hatte ihm gesagt, daß Erich Stinnes Fiona Samson abholen und zu dem Treffen bringen würde. Thurkettle hatte den Auftrag, jemanden von genau der gleichen Statur wie Fiona Samson zu töten und am Treffpunkt zurückzulassen. Den Einfall, Fiona Samsons Schwester zu benützen, hatte Thurkettle gehabt, und er war sehr zufrieden damit. Sie war drogenabhängig, und mit solchen Leuten hatte man leichtes Spiel. Seine Aufgabe war es, Fiona Samson zu ihrem Mann in den Wagen zu setzen und beide lebend wegfahren zu lassen. Dann hatte er Stinnes und die Schwester zu töten, Stinnes in dem Graben zu bestatten, den die Straßenarbeiter in so bequemer Nähe ausgehoben hatten, und dann den Wagen mit der Leiche der Schwester darin zu verbrennen.
Die sowjetischen Detektive würden Stinnes’ Leiche niemals finden, denn wenn ihnen klar wurde, daß Stinnes nicht mit Samson über die Grenze geflohen war, würden schon Hunderte von Tonnen Beton und ein Stück Autobahn auf seinem Grab liegen. Die verbrannte Leiche würde als diejenige Fiona Samsons identifiziert werden, weil die beiden Schwestern einander sehr glichen, vom Gebiß abgesehen. Deshalb war der Schädel, den er Werner gezeigt hatte, eigens präpariert worden, um in diesem Punkt Identität vorzutäuschen. Die heikelste Aufgabe war die Enthauptung der Schwester, aber deren Kopf mußte natürlich mit Stinnes in den Graben. Andernfalls würden die Gerichtsmediziner bei der Untersuchung des Wagens eine verbrannte Leiche mit zwei Köpfen finden, was schließlich auch den schläfrigsten Laborassistenten mißtrauisch machen würde.
Alles ging schief, von Anfang an. Tessa – unzuverlässig, wie Rauschgiftsüchtige gewöhnlich sind – kam nicht pünktlich. Trotz aller Vorbereitungen, die Thurkettle getroffen hatte, ging sie zu Werners Kostümfest. Tessa hätte als erste kommen sollen. Thurkettle wurde so nervös, daß er mit seinem Motorrad davonfuhr, aber zurückkam, als er den Wagen mit Fiona und Stinnes sah. Als Tessa endlich kam, saß sie hinten in dem Ford-Kombi Bernard Samsons. Stinnes war in einem Wartburg gekommen und hatte nicht nur Fiona Samson, sondern auch Harry Kennedy mitgebracht. Und wer hätte geahnt, daß Bernard Samson mit einem Verrückten kommen würde, der es vielleicht für amüsant hielt, im Kostüm direkt von Werners Fest zu kommen? Ein Gorilla-Kostüm! Der FordKombi kam nur fünf Minuten nach dem Wartburg und hielt in einer nach Thurkettles Einschätzung günstigen Position für einen schnellen Start. Der Wartburg parkte mit zur Straße ausgerichteter Kühlerhaube und brennendem Standlicht. Thurkettle erwartete, daß Stinnes die Heroinladung ausladen würde, aber niemand stieg aus. Jeder schien auf irgend etwas zu warten. Thurkettle blieb in der Dunkelheit und beobachtete. Er stand hinter einem der Bulldozer, als es losging. Ein schlanker Mann, als Gorilla verkleidet, sprang aus dem FordKombi und fing an, unter Geschrei herumzuspringen, wobei er mit einer Pistole fuchtelte. Ein Gorilla. Für einen Augenblick sah das so echt aus, daß Thurkettle glaubte, einen echten Gorilla zu sehen. Thurkettle war nicht leicht zu verblüffen, aber darauf war er nicht vorbereitet. Der Anblick hatte offenbar auch Stinnes, oder wer sonst am Steuer des Wartburg saß, verblüfft, denn irgend jemand schaltete das Fernlicht an, um den Gorilla deutlicher zu sehen. Der Gorilla hob die Pistole und machte Miene, auf den Wartburg zu schießen. Thurkettle sah plötzlich seinen guten Ruf gefährdet und sein Honorar dazu. Diese Frau Samson mußte mit heiler Haut davonkommen, Prettyman hatte das mit allem Nachdruck betont. Wenn Fiona nicht sicher im Westen ankam, würde er über die erste kleine Abschlagzahlung hinaus von dem vereinbarten Honorar nichts weiter zu sehen kriegen. Also schoß Thurkettle auf den verrückten Gorilla. Die schallgedämpfte Pistole machte nicht mehr Lärm als eine vorsichtig geöffnete Weinflasche. Aber inzwischen war Thurkettle nervös geworden und verfehlte so sein Ziel.
Dann schoß der Gorilla. Er mußte Thurkettles Schuß gehört haben, denn er stand praktisch parallel zum Pistolenlauf, wo der Schalldämpfer am schwächsten wirkt. Das Glas der Windschutzscheibe des Wartburg zersplitterte, und
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