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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann
Autoren: Jude Deveraux
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mich aus und sagte, er könnte in seidenen Hosen und Strümpfen nicht auf ein Baumwollfeld gehen.« Bianca erschauerte. »Baumwolle! Er ist ein Farmer, ein tölpelhafter, überheblicher amerikanischer Bauer!«
    Nicole kämmte die letzte Locke aus. »Und doch haben Sie seinen Antrag angenommen?«
    »Natürlich! Ein Mädchen kann niemals zu viele Anträge bekommen; sie machen den Köder nur schmackhafter! Wenn ich auf einer Gesellschaft bin und einen Mann sehe, der mir nicht gefällt, sage ich, ich sei verlobt. Wenn ich einen Mann sehe, von dem ich weiß, daß er zu einer Frau meines Standes passen würde, so erzähle ich ihm, ich trüge mich mit dem Gedanken, meine Verlobung aufzulösen.«
    Nicole drehte sich von Bianca weg und sammelte die Einwickelpapiere der Pralinen vom Boden auf. Sie wußte, daß sie keine eigene Meinung dazu haben durfte, konnte sie aber diesmal doch nicht unterdrücken: »Aber was wird aus Mr. Armstrong? Ist das eine faire Handlung?«
    Bianca ging zu einer Wäschekommode und warf drei Schals zu Boden, ehe sie sich zu einem schottischen mit kariertem Muster entschloß. »Was weiß ein Amerikaner schon von Fairneß? Sie sind ein undankbares Volk, das seine Unabhängigkeit von uns erklärte, nachdem wir so viel für sie getan haben. Zudem war es für mich eine Beleidigung, daß er dachte, ich würde jemals einen Mann wie ihn heiraten. Er war ein wenig zum Fürchten in seinen hohen Stiefeln und mit seinen arroganten Allüren. Er sah aus, als wäre er auf einem Pferd eher zu Hause als in einem Salon. Wie könnte ich so etwas heiraten? Und er machte mir einen Antrag, nachdem er mich erst zwei Tage gekannt hatte. Er bekam einen Brief, in dem stand, daß sein Bruder und seine Schwägerin umgekommen seien, und Knall auf Fall bat er mich, ihn zu heiraten. Was für ein gefühlloser Mensch! Er wollte, daß ich gleich mit ihm nach Amerika reise. Natürlich lehnte ich dieses Ansinnen ab.«
    Nicole achtete sorgfältig darauf, daß Bianca ihr Gesicht nicht sah, als sie die weggeworfenen Schals wieder zusammenzulegen begann. Sie wußte, daß man ihr nur zu oft am Gesicht ansehen konnte, was sie empfand. Ihre Augen spiegelten ihre Gedanken und Gefühle wider. Als sie vor drei Monaten in den Haushalt der Malesons gekommen war, war sie viel zu betäubt gewesen, um auf Biancas Tiraden über die dummen, schwachen Franzosen oder die primitiven, undankbaren Amerikaner zu reagieren. Damals war sie ganz von ihren Erinnerungen an das blutige Entsetzen der Revolution beherrscht gewesen - von den Gedanken an ihre Eltern, die man fortgeschleppt hatte, an ihren Großvater... Nein! Sie war noch nicht fähig, an jene stürmische Nacht zurückzudenken. Vielleicht hatte Bianca sich schon früher auf diese Weise über ihren Verlobten geäußert, und sie, Nicole, hatte nicht zugehört. Das war sogar ziemlich wahrscheinlich. Erst in den letzten paar Wochen war sie allmählich aus ihrem schlafwandlerischen Zustand erwacht.
    Vor zwei Wochen, als sie in einem Laden wartete, bis Bianca ein Kleid anprobiert und gekauft hatte, war sie dort zufällig ihrer Cousine begegnet. Diese Cousine wollte in zwei Monaten einen kleinen Kleiderladen eröffnen und hatte Nicole angeboten, sich an diesem Laden finanziell zu beteiligen. Zum erstenmal hatte Nicole eine Möglichkeit gesehen, unabhängig zu werden und sich aus einem Zustand zu befreien, in dem sie nur ein Objekt der Wohltätigkeit war.
    Als sie Frankreich verließ, hatte sie ein goldenes Medaillon und drei Smaragde in den Saum des Kleides eingenäht, in dem sie flüchtete. Nachdem sie mit ihrer Cousine gesprochen hatte, verkaufte sie die Smaragde. Sie bekam einen sehr niedrigen Preis dafür, denn der englische Markt war mit französischen Juwelen überschwemmt, und die hungerleidenden Flüchtlinge waren oft zu verzweifelt, um lange um den Preis zu feilschen. Des Nachts blieb Nicole dann in ihrem kleinen Speicherzimmer bis in die Morgenstunden auf, nähte für ihre Cousine und versuchte, sich noch etwas Geld hinzuzuverdienen. Nun hatte sie fast genug beisammen. Sie hatte das Geld in einer Truhe in ihrem Zimmer versteckt.
    »Kannst du dich nicht beeilen?« fragte Bianca ungeduldig. »Du träumst immer in den Tag hinein. Kein Wunder, daß dein Land im Krieg mit sich selbst liegt, wenn es von Leuten bewohnt wird, die so faul sind wie du!«
    Nicole streckte den Rücken, richtete sich auf und hob das Kinn. Nur noch ein paar Wochen, sagte sie sich. Dann würde sie frei sein...
    Selbst in ihrem
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