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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann
Autoren: Jude Deveraux
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mußten jetzt nur beweisen, daß Biancas Vater nicht reich genug war, um ein Lösegeld bezahlen zu können.
    »Sie ist es«, sagte Bianca, setzte sich kerzengerade auf und deutete mit ihrem plumpen Arm auf Nicole. »Sie ist die verdammte Lady. Ich arbeite nur für sie.«
    »Was hab’ ich euch gesagt?« sagte einer von den vieren. »Sie spricht nicht wie eine Lady. Ich wußte sofort, daß diese da die Lady ist.«
    Nicole stand ganz still da, den Rücken durchgedrückt, das Kinn gehoben, und beobachtete Bianca, deren Augen triumphierend aufleuchteten. Nicole wußte, daß sie nun nichts tun oder sagen konnte; die Männer würden sie mitnehmen. Freilich, sobald sie erfuhren, daß sie nur eine mittellose französische Emigrantin sei, würden sie ihr die Freiheit wiedergeben, da sie nicht hoffen konnten, für sie ein Lösegeld zu bekommen.
    »Das ist sie also, die kleine Lady«, sagte ein anderer der Kerle. »Du kommst jetzt mit uns. Und hoffentlich hast du so viel Verstand, daß du uns keine Schwierigkeiten machst.«
    Nicole konnte nur stumm den Kopf schütteln.
    Der Mann streckte seine Hand zu ihr hinunter, sie ergriff sie, schob den Fuß in den Steigbügel vor seinem Fuß und schwang sich rasch vor ihm auf den Sattel, wobei sie beide Füße auf einer Seite des Pferdes hinabhängen ließ.
    »Sieht nicht übel aus, wie?« sagte der Mann, auf dessen Pferd sie saß. »Kein Wunder, daß er so große Sehnsucht nach ihr hat. Man kann eine Lady immer daran erkennen, wie sie sich bewegt.« Er lächelte selbstgefällig, einen haarigen Arm um Nicoles Hüften geschlungen, und lenkte mit ungeschickten Zügelbewegungen das Pferd von der führerlosen Kutsche weg.
    Bianca saß ein paar Minuten lang still im Einspänner und starrte den Männern nach. Sie war selbstverständlich froh darüber, daß sie dank ihres Scharfsinns dem Zugriff der Männer entronnen war; doch andererseits war sie wütend, daß diese Tölpel nicht sehen konnten, daß sie die Lady war. Als wieder Ruhe im Park war, begann sie, um sich zu sehen. Sie war allein in dieser gestrandeten Kutsche. Sie konnte nicht kutschieren: wie kam sie also nach Hause? Darauf gab es nur eine Antwort: sie mußte zu Fuß gehen. Als sie mit dem Absatz den Kies berührte und die scharfen Steine durch die dünnen Ledersohlen in ihr Fleisch schnitten, verfluchte sie Nicole, daß sie ihr solche Schmerzen bereitete. Auf dem langen, ihre Fuße zermürbenden Heimweg verfluchte sie Nicole mehrere Male und war so wütend, als sie endlich zu Hause anlangte, daß sie die Entführung glatt vergessen hatte. Erst später, als sie mit ihrem
    Vater ein Menü von sieben Gängen eingenommen hatte, erzählte sie ihm von der Entführung.
    Jacob Maleson, der von der Mahlzeit sehr schläfrig geworden war, sagte, sie würden das Mädchen schon wieder laufen lassen, aber er würde morgen früh mit den Behörden sprechen. Bianca stieg, sich am Geländer hochziehend, zu ihrem Schlafzimmer hinauf und überlegte verdrießlich, wo sie nun wieder eine Zofe hernehmen sollte. Diese Nicole war doch eine so undankbare Person...
    Das Erdgeschoß des Gasthofes war ein einziger langer Raum mit Natursteinwänden, so daß es dort immer kühl und dunkel war. Mehrere lange Tische auf Holzböcken waren im Raum verteilt. Die vier Entführer saßen auf Bänken an einem der Tische. Vor ihnen standen Schüsseln aus dickem Steingut, die mit grob gehacktem Rinderhaschee gefüllt waren; daneben standen große Tonbecher mit kühlem Bier. Die Männer saßen auf den Bänken wie auf rohen Eiern. Ein tagelanges Schaukeln auf einem Pferderücken war für sie eine neue Erfahrung, für die sie nun mit wehen Hintern bezahlen mußten.
    »Ich traue ihr nicht, wenn ihr mich fragt«, sagte einer der Männer. »Sie ist so verdammt still. Sie sieht mit ihren großen Augen so unschuldig aus, aber ich sage euch, sie führt etwas im Schilde. Und das wird uns in große Schwierigkeiten bringen.«
    Die anderen drei Männer hörten ihm mit gerunzelten Stirnen zu.
    Der Mann, der das Wort führte, fuhr fort: »Ihr wißt ja, wie er ist. Ich möchte nicht riskieren, daß sie uns entwischt. Ich will sie nur zu ihm nach Amerika bringen, wie er es befohlen hat, und ich möchte keinen Fehler machen.«
    Der Mann in dem gestreiften Hemd nahm einen kräftigen Schluck Bier. »Joe hat recht. Jede Lady, die mit einem Pferd so umgehen kann wie sie, fürchtet sich nicht vor einem Fluchtversuch. Meidet sich jemand freiwillig, der sie die ganze Nacht bewacht?«
    Die Männer
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