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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann
Autoren: Jude Deveraux
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stöhnten und dachten an ihren Muskelkater. Am liebsten hätten sie ihrer Gefangenen Fesseln angelegt; doch in diesem Punkt hatten sie strikte Anweisungen erhalten: Sie durften ihr nicht ein Härchen krümmen.
    »Joe, erinnerst du dich noch daran, als der Doc dir das Loch in der Brust zugenäht hat?«
    Joe nickte verwirrt.
    »Erinnerst du dich noch an das weiße Zeug, das er dir gab, damit du einschläfst? Glaubst du, du könntest etwas davon besorgen?«
    Joe musterte die anderen Gäste im Raum. Da war alles vertreten, vom Gassenpöbel bis zu einem gutgekleideten Gentleman, der allein in einer Ecke saß. Joe wußte, daß man in so einer Gruppe alles bekommen konnte. »Ich glaube, ich kann dir besorgen, was du verlangst«, sagte er.
    Nicole saß still auf dem Bettrand in dem schmutzigen kleinen Zimmer im Oberstock. Sie war schon am Fenster gewesen und hatte ein Abflußrohr an der Mauer entdeckt und das Dach eines Lagerschuppens unter dem Fenster. Später, wenn es dunkler und stiller draußen war, konnte sie vielleicht einen Fluchtversuch riskieren. Natürlich hätte sie den Männern auch ihre wahre Identität verraten können; doch sie hielt das für verfrüht, da sie erst ein paar Wegstunden von Biancas Haus entfernt waren. Sie fragte sich, wie Bianca nach Hause gekommen wäre, wie viele Stunden sie gebraucht hätte, um den Weg zu Fuß zurückzulegen. Dann würde es einige Zeit dauern, bis Mr. Maleson sich mit dem Sheriff der Grafschaft in Verbindung setzte, Alarm schlug und nach ihr suchen ließ. Nein, es war noch zu früh, diesen Männern die Wahrheit zu sagen. Heute nacht würde sie versuchen zu fliehen, und wenn ihr das nicht gelang, würde sie morgen früh den Fehler aufklären. Dann mußten die Männer sie wohl frei lassen. Bitte, lieber Gott, betete sie, laß sie nicht wütend sein!
    Als die Tür aufging, blickte sie zu den vier Männern hoch, die nun das kleine Zimmer betraten.
    »Wir bringen dir etwas zu trinken. Echte Schokolade aus
    Südamerika. Einer von uns konnte nämlich dorthin reisen und das mitbringen, weißt du?«
    Matrosen! schoß es ihr durch den Kopf, als sie den Becher entgegennahm. Warum war ihr das nicht sofort aufgefallen? Deswegen waren sie so ungeschickte Reiter und rochen ihre Kleider so seltsam.
    Als sie die köstliche Schokolade trank, begann sie sich zu entspannen. Die Wärme des sahnigen Getränkes breitete sich in ihrem Körper aus und machte ihr bewußt, wie müde sie war. Obwohl sie immer noch versuchte, sich auf ihren Fluchtplan zu konzentrieren, entglitten ihr die Gedanken und trieben davon. Sie sah zu den Männern auf, die sich über sie beugten und sie ängstlich beobachteten wie riesige, bärtige Babysitter. Lächelnd schloß sie die Augen und ließ sich vom Schlaf übermannen.
    Für die nächsten vierundzwanzig Stunden verlor Nicole das Bewußtsein. Sie hatte später nur eine vage Erinnerung, daß sie umhergetragen wurde, behandelt, als wäre sie ein Baby. Zuweilen spürte sie, daß sich jemand Sorgen machte um sie, und sie versuchte zu lächeln und zu sagen, daß es ihr gutginge; doch die Worte wollten einfach nicht an die Oberfläche kommen. Sie träumte unentwegt, erinnerte sich an das Schloß ihrer Eltern, an ihre Schaukel unter dem Weidenbaum im Garten, und sie lächelte, als ihr die kurze glückliche Zeit vor dem inneren Auge stand, die sie im Hause des Müllers mit ihrem Großvater verbracht hatte. Sie lag ruhig in einer Hängematte und schwang sacht am Ende eines heißen Tages hin und her.
    Als sie endlich die Augen öffnete, wollte die schwingende Hängematte aus ihrem Traum nicht weichen. Statt der Äste eines Weidenbaumes sah sie eine Reihe von Balken über sich. Seltsam, dachte sie, jemand mußte eine Plattform über der Hängematte errichtet haben, und sie fragte sich beiläufig, wofür sie wohl gut sei.
    »So, Sie sind wach! Ich sagte diesen Matrosen, daß sie Ihnen zu viel Opium eingeflößt haben. Es ist ein Wunder, daß Sie überhaupt wieder wach wurden. Traue einem Mann! Er macht alles falsch. Hier, ich habe ihnen einen Kaffee aufgebrüht. Er ist gut und heiß.«
    Nicole drehte den Kopf und sah zu einer Frau auf, die eine breite Hand hinter ihren Rücken schob und sie anhob, als wäre sie leicht wie eine Puppe. Sie befand sich gar nicht in einem Garten, sondern in einem kahlen, kleinen Raum. Vielleicht war die Droge daran schuld, daß sie immer noch zu schaukeln schien? Kein Wunder, daß sie sich im Traum in einer Hängematte zu befinden glaubte. »Wo sind
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