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Geliebter Tyrann

Titel: Geliebter Tyrann
Autoren: Jude Deveraux
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war überwältigend. Der Schreibtisch war mit Papieren überhäuft; jedoch sauber- eine Stätte unermüdlicher Arbeit.
    Sie wußte genau, als er kam und sich hinter sie stellte; doch sie drehte sich nicht um. Der Geruch seines Schweißes vermischte sich mit dem Duft des Leders im Raum. Sie atmete tief und drehte sich dann langsam zu ihm um.
    Sie hatte in der letzten Zeit wenig von ihm gesehen, ein einzigesmal in jener Regennacht. Der demütige, so verschlossene Clay, der über den Fluß gekommen war, um ihr beim Graben zu helfen, war ein Fremder für sie gewesen. Doch dieser Mann, der jetzt vor ihr stand, war der Mann, in den sie sich verliebt hatte. Sein Leinenhemd war bis zum Gürtel aufgeknöpft, er war in Schweiß gebadet, seine Hände und Unterarme braun von Tabaksaft. So, wie er dastand, die Füße auseinander, die Hände an den Hüften, erinnerte er sie an das erstemal, als sie ihn durch ein Fernglas beobachtet hatte.
    »Du hast geweint«, sagte er nur.
    Seine Stimme löste kleine Schauer in ihrem Rücken aus, und sie wußte gar nicht mehr, weshalb sie hergekommen war. Sie wandte sich von ihm weg und machte einen Schritt auf die Tür zu.
    »Nein!« Es war ein Befehl, dem sie gehorchte. »Schau mich an«, sagte er leise.
    Sie drehte sich langsam zu ihm um.
    »Was ist passiert?« Seine Stimme war jetzt voller Sorge.
    Bittere Tränen stiegen in Nicoles Augen auf. »Meine Mutter... starb. Ich muß nach Hause.«
    Sein Blick hielt den ihren eine lange Sekunde fest. »Weißt du denn nicht, daß du zu Hause bist?«
    Sie konnte nur noch mühsam ihre Tränen zurückhalten. Sie hatte nicht geahnt, daß er immer noch solche Macht über sie besaß. Sie schüttelte den Kopf, und ihre Lippen formten ein stummes Nein.
    »Komm hierher!« Seine Stimme war ruhig; doch der Ton war befehlend.
    Nicole weigerte sich, ihm zu gehorchen. Irgendwo war noch ein Saatkorn von Vernunft in ihrem Gehirn, und sie durfte nicht erneuern, was einmal zwischen ihnen gewesen war. Doch ihre Füße waren nicht so einsichtig. Einer hob sich wie von selbst und machte einen Schritt vorwärts.
    Clay starrte sie nur an, und der Strom zwischen ihren Augen war fast greifbar. »Komm«, sagte er abermals.
    Die Augen liefen ihr über, und ihre Füße liefen auf ihn zu.
    Er fing sie in seinen Armen auf, zerdrückte sie fast. Er trug sie zur Couch, wo er sie in seinen Armen wiegte.
    »Wenn du schon weinen mußt, dann dort, wo du hingehörst- an der Schulter deines Mannes.«
    Er hielt sie und streichelte ihre Haare, während sie weinte und ihm den Kummer über den Tod ihrer Mutter ausschüttete. Nach einer Weile begann er Fragen zu stellen. Er wollte, daß sie von ihrer Mutter redete, von den guten Zeiten. Sie erzählte ihm von Adeles Beziehung zu den Zwillingen, daß sie gleichsam wie drei Kinder miteinander gelebt hatten.
    Plötzlich setzte sie sich kerzengerade auf und erzählte ihm, was sie nach Arundel Hall gebracht hatte.
    »Du bist gekommen, um mich zu warnen, daß deiner Vermutung nach jemand versucht, mich umzubringen?«
    »Nicht jemand«, sagte sie. »Bianca. Ich glaube, Mutter wollte mir mitteilen, daß Bianca beabsichtigt, dich zu töten.«
    Er dachte einen Moment nach. »Und wenn sie nun Isaac oder einen von den anderen Männern belauscht hat, und sie über Bianca redeten? Einer meiner Leute erzählte mir neulich, wenn er eine Frau hätte wie ich, würde er sie vermutlich umbringen.«
    »Das ist schrecklich«, sagte Nicole erschrocken.
    Clay zuckte mit den Schultern. »Adele könnte Derartiges belauscht haben, eine dumme Bemerkung, die sich wie eine ernste Drohung für sie anhörte.«
    »Aber, Clay...«
    Er legte einen Finger auf ihre Lippen. »Es freut mich, daß du auf einmal so teilnehmend bist, um mich zu warnen; doch Bianca ist keine Mörderin. Sie hat weder den Verstand noch den Mut dazu.« Sein Blick ging zu ihrem Mund, und er fuhr mit der Fingerspitze über ihre Oberlippe. »Ich habe deinen verrückten, auf dem Kopf stehenden Mund sehr vermißt.«
    Sie schob sich von ihm weg. Es war nicht einfach, nachzudenken, wenn sie auf seinem Schoß saß. »Nichts hat sich geändert.«
    Er lächelte sie an. »Richtig. Nichts hat sich zwischen uns verändert, seit ich dich in der Schiffskabine beinahe vergewaltigt hätte. Wir haben uns vom ersten Augenblick an geliebt, und das wird sich nie ändern.«
    »Nein, bitte«, bettelte sie. »Es ist vorbei. Bianca...«
    Er zog eine Augenbraue in die Höhe. »Ich wünsche, diesen Namen nie mehr zu hören. Seit der
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