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Geliebter Normanne

Geliebter Normanne

Titel: Geliebter Normanne
Autoren: Rebecca Michéle
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niemand Anspruch auf Penderroc Castle angemeldet. Natürlich war Hayla nicht so naiv zu glauben, dass die Normannen nicht früher oder später auch in Cornwall alles in Besitz nehmen würden. Zu allem Unglück war der letzte Sommer und Herbst kühl und nass gewesen, und es hatte eine schlechte Ernte gegeben. Hayla hatte zum ersten Mal in ihrem Leben Hunger gelitten und gelernt, was es heißt, ein Kleid zum vierten oder fünften Mal zu stopfen, anstatt sich ein neues zu nähen. Aber sie beklagte sich nicht. Da es in Penderroc weder Bücher, Musikinstrumente noch sonstige Möglichkeiten der Zerstreuung gab, war sie dankbar über die viele Arbeit, von der sie am Abend erschöpft auf ihre Bettstatt sank und stets tief und traumlos schlief.
    Aus Fendenwic hatte Hayla keine Nachricht mehr erhalten. Sie wusste nicht, was aus Sir Alfred und Lady Elfgiva geworden war, ebenso wenig hatte sie von ihrem Verlobten Mandric gehört. Die Vermutung, er sei wie so viele andere bei Hastings gefallen, lag nahe. Selbst wenn er die Schlacht überlebt haben sollte – es war allgemein bekannt, dass König William den Anhängern Harolds gegenüber keine Gnade kannte und sie hinrichten ließ. Auch wenn Hayla Mandric nicht geliebt hatte, so trauerte sie dennoch um ihn, denn er war viel zu jung gestorben. Manchmal kamen Flüchtlinge aus dem Osten des Landes nach Penderroc Castle, und sie erzählten Schreckliches. Der neue König ließ im Südosten des Landes einen Befestigungsring bauen und errichtete in der Stadt London eine mächtige Festungsburg. Im ganzen Land wurde enteignet, gebrandschatzt und gemordet – offenbar sollten alle Angelsachsen ausgerottet werden. Manchmal fragte sich Hayla, ob die Berichte nicht doch übertrieben waren, denn so grausam konnte kein Mensch sein. William, den man inzwischen auch
den Eroberer
nannte, hatte recht leicht Englands Krone erlangt und schlug die immer wieder aufkommenden kleinen Aufstände mühelos nieder. Hayla war keinesfalls bereit, ihre Herkunft zu vergessen, aber England hatte nun einen neuen König, und was sollte sie, eine junge, schwache Frau, gegen ihn ausrichten können? Sie war nicht feige, erkannte jedoch, wann es sinnlos war zu kämpfen. Ihr blieb keine andere Wahl, als sich in ihr Schicksal zu fügen.
    »Gleichgültig, was das Schicksal für uns bereithält – du darfst niemals vergessen, wer und was du bist. Eine aufrechte Angelsächsin, die es ihrem Volk schuldig ist, sich nicht einfach der Knechtschaft der Normannen zu beugen. Und die stets das Andenken an den guten König Harold in ihrem Herzen bewahrt.«
    Rasch trat Hayla zu Waline und legte zärtlich eine Hand auf ihren Unterarm. Die alte Magd war die Einzige, die freundlich zu ihr war, und Hayla wollte sie nicht verletzen.
    »Es tut mir leid, Waline. Niemals werde ich vergessen, dass ich Angelsächsin bin, und ich werde es immer bleiben. Nie werde ich den normannischen Bastard, der sich jetzt König nennt, anerkennen und einem Normannen auch nur ein freundliches Wort oder gar ein Lächeln schenken. Allerdings verstehe ich nicht, warum du weiterhin ein solches Geheimnis um meine Abstammung machst und ich mich weiterhin als einfaches Bauernmädchen ausgeben muss? Gut, ich mag das Mündel des toten Königs gewesen sein, aber das ist nach so vielen Monaten doch ohne Bedeutung. Was hätte der Normanne William davon, wenn er mich einsperrt oder mir gar etwas antut? Alle, die mit König Harold sympathisiert haben, sind entweder tot, oder sie haben sich auf die Seite der neuen Herrscher geschlagen. Zudem bin ich nur eine schwache Frau, die sicher keinen Aufstand gegen den Normannen auf Englands Thron anzetteln wird.«
    Waline wusste, worauf Hayla anspielte. Nach der Schlacht bei dem Dorf Hastings, die auch »Die Schlacht am grauen Apfelbaum« genannt wurde, war die gesamte Blüte des angelsächsischen Adels vernichtet worden. Lediglich vier Personen gab es noch, die William gefährlich werden konnten: der exkommunizierte Erzbischof von Canterbury, zwei einst mächtige Earls aus dem Norden und ein halbwüchsiger Junge, von dem niemand genau wusste, wer er war und wie er hieß, der aber einen ebenfalls weitläufigen Anspruch auf die Krone Englands hatte. Die vier hatten zusammen mit einer Handvoll Bauern und Arbeitern versucht, William, den Eroberer, anzugreifen, aber dieser zog um London, wo sich die Aufständischen verschanzt hatten, einen Belagerungsring und schnitt die Stadt somit von jedem Nachschub an Lebensmitteln ab. Die kleine
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